EuGH, Urteil v. 6. März 2025, C‑20/24

Bordkarte entspricht regelmäßig Buchungsbestätigung, sofern nicht Gegenteiliges nachgewiesen wird. EU-VO 261/2004 anwendbar, wenn Reiseveranstalter Flugpreis an Airline zahlt. Auch dann, wenn Preis für Pauschalreise von Drittem an Reiseunternehmen gezahlt wird.

Leitsätze der Kanzlei Woicke

In der Rechtssache C‑20/24 [Cymdek](i)

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, Polen) mit Entscheidung vom 24. November 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Januar 2024, in dem Verfahren

M1. R.,

M2. R.

gegen

AAA sp. z o.o.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Gavalec (Berichterstatter) sowie der Richter Z. Csehi und F. Schalin,

Generalanwalt: R. Norkus,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von M1. R. und M2. R., vertreten durch P. Mędygrał, Radca prawny,

– der AAA sp. z o.o., vertreten durch K. Bień, Radca prawny,

– der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch B. Sasinowska und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Buchst. g sowie Art. 3 Abs. 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen M1. R. und M2. R., zwei Fluggästen (im Folgenden: im Ausgangsverfahren betroffene Fluggäste), auf der einen Seite und der Gesellschaft AAA sp. z o.o., einem Luftfahrtunternehmen, auf der anderen Seite wegen eines von diesen Fluggästen gestellten und auf die Verordnung Nr. 261/2004 gestützten Antrags auf Ausgleichszahlung nach einer großen Verspätung eines Fluges bei der Ankunft an seinem Endziel.

Rechtlicher Rahmen

3 Die Erwägungsgründe 1 und 5 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1) Die Maßnahmen der [Europäischen] Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.



(5) Da die Unterscheidung zwischen Linienflugverkehr und Bedarfsflugverkehr an Deutlichkeit verliert, sollte der Schutz sich nicht auf Fluggäste im Linienflugverkehr beschränken, sondern sich auch auf Fluggäste im Bedarfsflugverkehr, einschließlich Flügen im Rahmen von Pauschalreisen, erstrecken.

…“

4 In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck



f) ‚Flugschein‘ ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;

g) ‚Buchung‘ den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;



j) ‚Nichtbeförderung‘ die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;

…“

5 Art. 3 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung bestimmt:

„(1) Diese Verordnung gilt

a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und – außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 – sich

– wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden

oder, falls keine Zeit angegeben wurde,

– spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder

b) von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür.

(3) Diese Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Sie gilt jedoch für Fluggäste mit Flugscheinen, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.



(5) Diese Verordnung gilt für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Absätze 1 und 2 erbringen. Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6 AAA, ein Luftfahrtunternehmen, das Charterflüge anbietet, schloss mit der BBB sp. z o.o., einem Reiseunternehmen, einen Vertrag, in dessen Rahmen AAA für BBB bestimmte Flüge an bestimmten Tagen durchführte, für die BBB anschließend Flugscheine an Fluggäste verkaufte. BBB zahlte das Entgelt für die Flüge an AAA.

7 Die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste nahmen an einer Pauschalreise teil, die auch den Flug von Teneriffa (Spanien) nach Warschau (Polen) am 20. Mai 2021 umfasste, der von AAA durchgeführt wurde. Der Pauschalreisevertrag wurde zwischen der CCC sp. z o.o. zugunsten dieser Fluggäste und BBB geschlossen. Dieser Flug hatte eine Ankunftsverspätung von mehr als 22 Stunden.

8 Zum Nachweis ihrer Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Ausgleichsleistungen für die in Rede stehende Flugverspätung legten die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste Kopien der Bordkarten für diesen Flug vor. AAA weigerte sich aber, eine Ausgleichszahlung an diese Fluggäste zu erbringen, da sie nicht nachgewiesen hätten, dass sie über eine bestätigte und bezahlte Buchung für den betreffenden Flug verfügten. Die Pauschalreise dieser Fluggäste sei nämlich von CCC zu Vorzugsbedingungen bezahlt worden, so dass sie kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif im Sinne von Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 gereist seien, was den Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung ausschließe.

9 Die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste sind der Ansicht, dass sie durch die Vorlage der Bordkarten zum Zweck des Erhalts einer solchen Ausgleichszahlung nachgewiesen hätten, dass sie über eine bestätigte Buchung verfügten, da ihnen andernfalls die Bordkarten nicht ausgegeben worden wären. Im Übrigen obliege es AAA, nachzuweisen, dass diese Fluggäste kostenlos gereist seien, und nicht ihnen, nachzuweisen, dass sie den Preis für den von AAA durchgeführten Flug gezahlt hätten. Jedenfalls seien die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste nicht kostenlos gereist, da AAA von BBB eine Zahlung für die Durchführung des Fluges erhalten habe und BBB von CCC, die diesen Fluggästen die Pauschalreise bezahlt habe, für die Pauschalreise, einschließlich Flug, bezahlt worden sei. Insoweit spiele es im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 keine Rolle, ob der Flug von den Fluggästen selbst oder von einem Dritten bezahlt worden sei, sofern es sich nicht um das Luftfahrtunternehmen handele.

10 Der Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau, Polen), das vorlegende Gericht, hat Zweifel, ob die Vorlage einer Bordkarte durch einen Fluggast einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 darstellt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde.

11 Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die Erkenntnisse aus dem Urteil vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a. (C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20, EU:C:2021:1038), es nicht ermöglichten, die Frage zu beantworten, ob das Unionsrecht in einer Situation wie der, mit der es befasst sei, die Vorlage eines „anderen Belegs“ im Sinne dieser Bestimmung zulasse, aus dem hervorgehe, dass ein Fluggast über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfüge, wenn die von diesem Fluggast vorgelegte Bordkarte nicht alle in diesem Urteil genannten Angaben, wie die Ankunftszeit des Fluges, enthalte.

12 Selbst wenn AAA und einige Spruchkörper polnischer Berufungsgerichte der Ansicht sein sollten, dass die in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung genannten Voraussetzungen eng auszulegen seien, ist das vorlegende Gericht im Übrigen der Ansicht, dass eine Bordkarte nicht an eine beliebige Person ausgegeben werde, sondern an einen Fluggast, der über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfüge, und zwar nach der Abfertigung dieses Fluggasts für diesen Flug, während der die Flugscheinnummer oder die Buchungsnummer angegeben werden müsse. Abgesehen von bestimmten außergewöhnlichen Fällen gebe es jedoch keine andere rationale Erklärungsmöglichkeit, wie ein solcher Fluggast in den Besitz einer Bordkarte kommen könnte, ohne über eine solche Buchung zu verfügen.

13 Außerdem ist das vorlegende Gericht, anders als AAA und einige Spruchkörper polnischer Berufungsgerichte der Ansicht, dass es Sache des Luftfahrtunternehmens sei, zu beweisen, dass der fragliche Flug kostenlos erfolgt sei, und sich nicht darauf zu beschränken, aus einer bloßen dahin gehenden Behauptung für sich günstige Rechtsfolgen abzuleiten.

14 Im Übrigen fragt sich dieses Gericht, wie die Wendung „kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist“ in Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 auszulegen ist. Es ist der Ansicht, dass im Fall von Pauschalreisen, wenn eine Reise, die dem Reiseunternehmen entweder unmittelbar von den Fluggästen oder in ihrem Namen von einem anderen Unternehmen bezahlt worden sei, einen Flug umfasse, den das Reiseunternehmen dem Luftfahrtunternehmen bezahlt habe, diese Fluggäste nicht „kostenlos“ im Sinne dieser Bestimmung reisten.

15 Was insbesondere den Begriff „reduzierter Tarif“ im Sinne dieser Bestimmung betrifft, fragt sich das vorlegende Gericht, ob er dahin auszulegen ist, dass damit eine Ermäßigung gemeint ist, die das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast anbietet, oder ob diese Bestimmung auch eine Situation erfasst, in der das Luftfahrtunternehmen vom Reiseunternehmen ein markübliches Entgelt erhält, dieses oder ein anderes Unternehmen aber die Fluggäste an der Pauschalreise zu Vorzugsbedingungen teilnehmen lässt. Für dieses Gericht scheint diese letzte Auslegung dem Ziel der Verordnung zuwiderzulaufen und schwerlich anwendbar, weil die entsprechenden Kriterien fehlten, wann von einer Teilnahme an einer Pauschalreise zu Vorzugsbedingungen gesprochen werden könne.

16 Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla m. st. Warszawy w Warszawie (Rayongericht für die Hauptstadt Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Kann die Bordkarte eines Fluggasts einen anderen Beleg im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde?

2. Ist Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass Fluggäste, die über eine Bordkarte für den betreffenden Flug verfügen, sofern kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand nachgewiesen wird, als Fluggäste anzusehen sind, die über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen?

3. Ist Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass der Fluggast die Beweislast dafür trägt, dass er den Flug bezahlt hat, oder muss gegebenenfalls das Luftfahrtunternehmen nachweisen, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif gereist ist, wenn es sich von seinen Verpflichtungen befreien will?

4. Ist Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass der Flug als entgeltlich gilt, wenn der Fluggast beim Reiseunternehmen eine Pauschalreise erworben hat und dieses Unternehmen dem Luftfahrtunternehmen den Flug bezahlt hat?

5. Ist Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass kein Fall von „Fluggäste(n), die … zu einem reduzierten Tarif reisen“, vorliegt, wenn ein Dritter eine Pauschalreise für die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste erwirbt, in deren Rahmen das Reiseunternehmen ein marktübliches Entgelt an die Charterfluggesellschaft entrichtet, und zwar unabhängig von der Art und Weise der Abrechnung zwischen dem Dritten und den Fluggästen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten und zur zweiten Frage

17 Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Buchst. g und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass eine Bordkarte einen „anderen Beleg“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung darstellen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde, so dass davon auszugehen ist, dass ein Fluggast, der über eine Bordkarte verfügt, eine „bestätigte Buchung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung für den betreffenden Flug hat, wenn kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand nachgewiesen wird.

18 Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 gilt diese Verordnung nur unter der Bedingung, dass erstens die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und sich zweitens – außer im Fall einer Annullierung des geplanten Fluges gemäß Art. 5 der Verordnung – rechtzeitig zur Abfertigung einfinden. Da die beiden Voraussetzungen kumulativ sind, kann das Sich-Einfinden eines Fluggasts zur Abfertigung nicht aufgrund dessen vermutet werden, dass er über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Januar 2024, Laudamotion [Verzicht auf einen verspäteten Flug], C‑474/22, EU:C:2024:73, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 In der Verordnung Nr. 261/2004 wird der Begriff „bestätigte Buchung“ nicht definiert. Der Begriff „Buchung“ wird hingegen in Art. 2 Buchst. g der Verordnung definiert als der „Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde“. Ferner umfasst der Begriff „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f dieser Verordnung alles Gegenständliche oder Papierlose, das einen Anspruch des Fluggasts auf Beförderungsleistung begründet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2022, flightright [Luftbeförderung von Stuttgart nach Kansas City], C‑436/21, EU:C:2022:762, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a., C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20, EU:C:2021:1038, Rn. 40).

20 Was im Übrigen den Begriff „anderer Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 betrifft, kommt, wenn der Fluggast über diesen vom Luftfahrtunternehmen oder vom Reiseunternehmen ausgestellten Beleg verfügt, dieser andere Beleg einer „Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung gleich (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a., C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20, EU:C:2021:1038, Rn. 42).

21 Diese Begriffe sind im Interesse des im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 angeführten hohen Schutzniveaus für Fluggäste weit auszulegen (Urteil vom 6. Oktober 2022, flightright [Luftbeförderung von Stuttgart nach Kansas City], C‑436/21, EU:C:2022:762, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22 Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste über vom Luftfahrtunternehmen ausgegebene Bordkarten verfügten, was es ihnen ermöglichte, einen von dieser Fluggesellschaft durchgeführten Flug von Teneriffa nach Warschau zurückzulegen, indem sie sich zuvor zur Abfertigung einfanden.

23 Wie die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste, die polnische Regierung und die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen geltend gemacht haben, wird einem Fluggast für einen bestimmten Flug eine Bordkarte ausgegeben, die seinen Anspruch auf Beförderungsleistung begründet und ihn berechtigt, in das Flugzeug einzusteigen und den Flug anzutreten, sobald die Abfertigung des Fluggasts, u. a. durch Angabe der Flugscheinnummer oder der Buchungsnummer, durchgeführt wurde.

24 Daraus folgt, dass eine Bordkarte einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen für den betreffenden Flug akzeptiert und registriert wurde.

25 Diese Schlussfolgerung kann nicht durch den vom vorlegenden Gericht angeführten Umstand entkräftet werden, dass das Urteil vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a. (C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20, EU:C:2021:1038), es nicht ermögliche, die Frage zu beantworten, ob eine Bordkarte unter den Begriff „anderer Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 fallen könne, da die Bordkarte nicht alle in diesem Urteil genannten Angaben, wie insbesondere die Ankunftszeit des Fluges, enthalte.

26 Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 51 dieses Urteils für Recht erkannt, dass Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird; dies gilt auch dann, wenn das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.

27 Anders als in der vorliegenden Rechtssache hatte das Reiseunternehmen in den Rechtssachen, in denen das Urteil vom 21. Dezember 2021, Azurair u. a. (C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20, EU:C:2021:1038), ergangen ist, den Fluggästen jedoch andere Informationen über die Abflug- und Ankunftszeiten der Flüge übermittelt als die, die das Luftfahrtunternehmen dem Reiseunternehmen zuletzt übermittelt hatte, wobei die letztgenannten Informationen den Fluggästen nicht übermittelt wurden, so dass sie nur über die Informationen in dem vom Reiseunternehmen übermittelten Dokument verfügten.

28 Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, sofern ein bestimmtes Luftfahrtunternehmen die Fluggäste, die über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen, an Bord nimmt und sie an ihren Zielort bringt, davon auszugehen ist, dass sie dem Erfordernis, sich vor dem Flug zur Abfertigung einzufinden, nachgekommen sind (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. Oktober 2019, easyJet Airline, C‑756/18, EU:C:2019:902, Rn. 28).

29 Umgekehrt ist, soweit Fluggäste wie die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste dem Erfordernis, sich zur Abfertigung einzufinden, ordnungsgemäß nachgekommen sind und den betreffenden Flug mit einer Bordkarte für diesen Flug zurückgelegt haben, davon auszugehen, dass sie dem Erfordernis, über eine bestätigte Buchung für diesen Flug zu verfügen, nachgekommen sind.

30 Dieses Ergebnis wird durch das im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannte Ziel, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, bestätigt.

31 Tatsächlich haben die Fluggäste, deren Flug eine große Verspätung hatte, so die Möglichkeit, ihren Anspruch auf Ausgleichszahlung geltend zu machen, ohne der der Situation unangemessenen Anforderung zu unterliegen, nachträglich bei Stellung ihres Antrags auf die Ausgleichszahlung nachzuweisen, dass sie über eine bestätigte Buchung für den verspäteten Flug verfügten, mit dem sie jedenfalls befördert wurden (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 24. Oktober 2019, easyJet Airline, C‑756/18, EU:C:2019:902, Rn. 32).

32 Insoweit genügt zu dem von AAA angeführten Fall, dass eine Bordkarte bei Verlust durch eine Person, die Inhaberin dieser Karte ist, von einer anderen Person mit ähnlichen Angaben verwendet werden könnte, die Feststellung, dass, wie aus Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004 hervorgeht, diese es dem Luftfahrtunternehmen erlaubt, die Beförderung u. a. wegen unzureichender Reiseunterlagen zu verweigern.

33 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. g und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass eine Bordkarte einen „anderen Beleg“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung darstellen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde, so dass davon auszugehen ist, dass ein Fluggast, der über eine Bordkarte verfügt, eine „bestätigte Buchung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung für den betreffenden Flug hat, wenn kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand nachgewiesen wird.

Zur den Fragen 3 bis 5

34 Mit seiner dritten bis fünften Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast nicht als im Sinne dieser Bestimmung kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, reisend gilt, wenn zum einen das Reiseunternehmen den Flugpreis an das ausführende Luftfahrtunternehmen zu marktüblichen Bedingungen zahlt und zum anderen der Preis für die Pauschalreise nicht vom Fluggast, sondern von einem Dritten an das Reiseunternehmen gezahlt wird. Das vorlegende Gericht möchte auch wissen, ob das Luftfahrtunternehmen beweisen muss, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif gereist ist, oder ob es dem Fluggast obliegt, zu beweisen, dass er den Flug bezahlt hat.

35 Nach Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 gilt diese Verordnung nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist.

36 Hierzu ist festzustellen, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Unanwendbarkeit dieser Verordnung eine Ausnahme von der Regel darstellt, dass die Verordnung, wie sich aus ihrem Art. 3 Abs. 1 ergibt, zum einen für Fluggäste gilt, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten, und zum anderen, sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein in der Europäischen Union niedergelassenes Luftfahrtunternehmen ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat nach den in Art. 3 Abs. 2 dieser Verordnung genannten Bedingungen Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

37 Wie der Gerichtshof entschieden hat, ist allerdings in Anbetracht des Ziels der Verordnung Nr. 261/2004, das nach ihrem ersten Erwägungsgrund darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, eine Ausnahme von den Bestimmungen, die Fluggästen Rechte gewähren, eng auszulegen (Urteil vom 16. Januar 2025, Qatar Airways, C‑516/23, EU:C:2025:21, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38 Ferner sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 21. November 2024, Meste Rimavská Sobota, C‑370/23, EU:C:2024:972, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39 Zwar lässt sich dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 261/2004 für sich genommen nicht entnehmen, ob der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf Fälle beschränkt ist, in denen nur das ausführende Luftfahrtunternehmen den Fluggästen die Möglichkeit bietet, kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif zu reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist.

40 Was den Zusammenhang betrifft, in den sich diese Bestimmung einfügt, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 3 der Verordnung, dass Fluggäste, die mit von einem Luftfahrtunternehmen kostenlos ausgegebenen Flugscheinen reisen, nicht unter diese Verordnung fallen, es sei denn, diese Flugscheine wurden im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme ausgegeben (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 26. November 2020, SATA International – Azores Airlines, C‑316/20, EU:C:2020:966, Rn. 15).

41 Der Gerichtshof hat insoweit bereits entschieden, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass diese Verordnung nicht auf Fluggäste anwendbar ist, die mit einem Flugschein zu einem Vorzugstarif reisen, der von einem Luftfahrtunternehmen im Rahmen des Sponsorings einer Veranstaltung ausgestellt wird, nur bestimmten Personen zugutekommt und nur mit vorheriger und für jede einzelne Person erteilter Erlaubnis dieses Luftfahrtunternehmens ausgestellt werden darf (Beschluss vom 26. November 2020, SATA International – Azores Airlines, C‑316/20, EU:C:2020:966, Rn. 19).

42 Ferner gilt diese Verordnung ihrem Art. 3 Abs. 5 zufolge für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste erbringen, die einen Flug auf oder zu Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats antreten. Nach dieser Bestimmung wird zudem dann, wenn ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung erfüllt, davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht (Urteil vom 26. März 2020, Primera Air Scandinavia, C‑215/18, EU:C:2020:235, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43 Insoweit hat der Gerichtshof für Recht erkannt, dass ein Fluggast eines um mindestens drei Stunden verspäteten Fluges gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen eine Klage auf Ausgleichszahlung nach den Art. 6 und 7 der Verordnung Nr. 261/2004 erheben kann, selbst wenn zwischen dem Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen kein Vertrag geschlossen wurde und der fragliche Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Primera Air Scandinavia, C‑215/18, EU:C:2020:235, Rn. 38).

44 In Anbetracht der Haftung des ausführenden Luftfahrtunternehmens für Ausgleichszahlungen an die Fluggäste bei großer Verspätung eines Fluges bei der Ankunft ist daher festzustellen, dass die in Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Ausnahme nur die Fälle erfasst, in denen das ausführende Luftfahrtunternehmen den Fluggästen erlaubt, kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, zu reisen.

45 Eine solche Auslegung steht im Einklang mit dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.

46 Nach dem fünften Erwägungsgrund dieser Verordnung sollte dieser Schutz sich nicht auf Fluggäste im Linienflugverkehr beschränken, sondern sich auch auf Fluggäste im Bedarfsflugverkehr, einschließlich Flügen im Rahmen von Pauschalreisen, erstrecken.

47 Aus der Entstehungsgeschichte dieser Verordnung ergibt sich nämlich, dass der Unionsgesetzgeber die Fluggäste, deren Flug Bestandteil einer Pauschalreise ist, nicht vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausschließen wollte, sondern ihnen vielmehr die durch diese Verordnung verliehenen Rechte zuerkennen wollte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 26. März 2020, Primera Air Scandinavia, C‑215/18, EU:C:2020:235, Rn. 36).

48 Da im vorliegenden Fall das Reiseunternehmen die Gegenleistung für die von den im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggästen unternommene Pauschalreise erhalten und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen den Flugpreis gezahlt hat und dieses ein markübliches Entgelt erhalten hat, ist davon auszugehen, dass diese Fluggäste nicht im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 261/2004 kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif gereist sind, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist.

49 Wie sich aus der in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist es für die Geltendmachung von Ansprüchen durch die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen unerheblich, dass der Preis der Pauschalreise nicht von diesen Fluggästen, die nicht in einer Vertragsbeziehung mit dem Luftfahrtunternehmen standen, sondern von einem Dritten an das Reiseunternehmen gezahlt wurde, das seinerseits den Preis des Fluges an das ausführende Luftfahrtunternehmen gezahlt hat.

50 Was die Beweislast dafür angeht, dass ein Fluggast im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung Nr. 261/2004 kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, gereist ist, ist festzustellen, dass diese Bestimmung, ohne ausdrücklich die Zuweisung der Beweislast zu regeln, eine Ausnahme von den Bestimmungen, die Fluggästen Rechte gewähren, einführt, wie sich aus Rn. 37 des vorliegenden Urteils ergibt, indem sie einen solchen Fluggast vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausschließt.

51 Um sich von seiner Verpflichtung zur Ausgleichszahlung an diesen Fluggast zu befreien, muss daher das ausführende Luftfahrtunternehmen nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten beweisen, dass der Fluggast im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, gereist ist, und daher nicht in deren Anwendungsbereich fällt.

52 Es ist jedoch festzustellen, dass eine Auslegung, die den Fluggästen die Beweislast auferlegt, nicht nur dem Ziel der Verordnung Nr. 261/2004, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste zu sicherzustellen, zuwiderlaufen würde, sondern auch schwer umzusetzen wäre, insbesondere in dem spezifischen Kontext des vorliegenden Falles, in dem die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste eine Pauschalreise bei einem Reiseunternehmen gebucht hatten.

53 Wie die im Ausgangsverfahren betroffenen Fluggäste und die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen im Wesentlichen geltend gemacht haben, ist es nämlich in der Regel, wie auch im vorliegenden Fall, das Reiseunternehmen, das die Zahlung des Flugpreises an das Luftfahrtunternehmen vornimmt, wenn ein Fluggast seine Pauschalreise nicht unmittelbar beim ausführenden Luftfahrtunternehmen, sondern über ein Reiseunternehmen bucht, da dieser Fluggast einen Preis für die gesamte Pauschalreise einschließlich des Fluges zahlt. Abgesehen davon, dass der Fluggast den genauen Preis des von diesem Unternehmen bezahlten Fluges nicht kennt, hat dieser Fluggast nur begrenzte Möglichkeiten, zu beweisen, dass er den Preis dieses Fluges gezahlt hat.

54 Nach alledem ist auf die dritte bis fünfte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast nicht als im Sinne dieser Bestimmung kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, reisend gilt, wenn zum einen das Reiseunternehmen den Flugpreis an das ausführende Luftfahrtunternehmen zu marktüblichen Bedingungen zahlt und zum anderen der Preis für die Pauschalreise nicht vom Fluggast, sondern von einem Dritten an das Reiseunternehmen gezahlt wird. Das Luftfahrtunternehmen muss nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten beweisen, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem solchen reduzierten Tarif gereist ist.

Kosten

55 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 2 Buchst. g und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

sind dahin auszulegen, dass

eine Bordkarte einen „anderen Beleg“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung darstellen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde, so dass davon auszugehen ist, dass ein Fluggast, der über eine Bordkarte verfügt, eine „bestätigte Buchung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung für den betreffenden Flug hat, wenn kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand nachgewiesen wird.

2. Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

ein Fluggast nicht als im Sinne dieser Bestimmung kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, reisend gilt, wenn zum einen das Reiseunternehmen den Flugpreis an das ausführende Luftfahrtunternehmen zu marktüblichen Bedingungen zahlt und zum anderen der Preis für die Pauschalreise nicht vom Fluggast, sondern von einem Dritten an das Reiseunternehmen gezahlt wird. Das Luftfahrtunternehmen muss nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten beweisen, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem solchen reduzierten Tarif gereist ist.

Unterschriften

Quelle:

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=261%252F2004&docid=296205&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=7379315#ctx1