EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Keine Halbierung der Ausgleichszahlung bei vorverlegten Flügen. Mitteilung der Vorverlegung kann Angebot einer anderweitigen Beförderung darstellen. Zu den Begriffen der „bestätigten Buchung“, des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ und des „anderen Belegs“ und zu den Informationspflichten hinsichtlich der Ausgleichszahlung.

Leitsätze der Kanzlei Woicke

In den verbundenen Rechtssachen C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

betreffend vier Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eines davon eingereicht vom Landesgericht Korneuburg (Österreich) mit Entscheidung vom 16. Juni 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 18. Juni 2020 (C‑270/20), und drei vom Landgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidungen vom 17. Februar 2020 (C‑146/20) sowie vom 6. April 2020 (C‑188/20 und C‑196/20), beim Gerichtshof eingegangen am 20. März 2020 (C‑146/20), am 30. April 2020 (C‑188/20) und am 6. Mai 2020 (C‑196/20), in den Verfahren

AD,

BE,

CF

gegen

Corendon Airlines (C‑146/20)

und

JG,

LH,

MI,

NJ

gegen

OP als Liquidatorin der Azurair GmbH,

Streithelferin:

alltours flugreisen GmbH (C‑188/20),

und

Eurowings GmbH

gegen

flightright GmbH (C‑196/20)

und

AG,

MG,

HG

gegen

Austrian Airlines AG (C‑270/20)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter J.‑C. Bonichot und M. Safjan (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juni 2021,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von JG, LH, MI und NJ, vertreten durch Rechtsanwalt H. Hopperdietzel,

– der Eurowings GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte Y. Pochyla und W. Bloch,

– von AG, MG und HG, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,

– der Corendon Airlines und von OP als Liquidatorin der Azurair GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt N. Serfort,

– der flightright GmbH, zunächst vertreten durch Rechtsanwalt T. Mauser, dann durch die Rechtsanwälte R. Weist und M. Michel,

– der Austrian Airlines AG, vertreten durch Rechtsanwalt C. Krones,

– der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann, J. Heitz, U. Kühne und U. Bartl als Bevollmächtigte,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, G. Kunnert und J. Schmoll als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, R. Pethke und G. Braun als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. September 2021

folgendes

Urteil

1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Buchst. b, f bis h und l, Art. 3 Abs. 2 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und 2, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b sowie Art. 14 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1, berichtigt im ABl. 2019, L 119, S. 202).

2 Sie ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen Fluggästen und Fluggesellschaften (C‑146/20, C‑188/20 und C‑270/20) sowie zwischen einer Fluggesellschaft und der flightright GmbH als Rechtsnachfolgerin von Fluggästen (C‑196/20) wegen Ausgleichszahlungen an die Fluggäste nach der Verordnung Nr. 261/2004.

Rechtlicher Rahmen

3 Die Erwägungsgründe 1 und 20 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:

„(1) Die Maßnahmen der [Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(20) Die Fluggäste sollten umfassend über ihre Rechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen informiert werden, damit sie diese Rechte wirksam wahrnehmen können.“

4 Art. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

b) ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen‘ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;

f) ‚Flugschein‘ ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;

g) ‚Buchung‘ den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;

h) ‚Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

l) ‚Annullierung‘ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.“

5 In Art. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:

„(1) Diese Verordnung gilt

a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der [Union] ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und – außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 – sich

– wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden

oder, falls keine Zeit angegeben wurde,

– spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder

b) von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besaßen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür.

…“

6 Art. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt in Abs. 1:

„Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,

b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.“

7 In Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:

„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

b) 400 [Euro] bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit

b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 [km] und 3 500 km nicht später als drei Stunden …

nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.

…“

8 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit

– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,

b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.“

9 Art. 13 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:

„In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu den Fluggästen zählenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen gemäß den anwendbaren einschlägigen Rechtsvorschriften eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.“

10 Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:

„Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, stellt jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis zur Verfügung, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis zur Verfügung gestellt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form zur Verfügung gestellt.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rechtssache C‑146/20

11 Die Fluggäste AD, BE und CF buchten über ein Reisebüro eine Pauschalreise nach Antalya (Türkei). Im Anschluss an diese Buchung bestätigte die Fluggesellschaft Corendon Airlines, dass der Abflug von Düsseldorf (Deutschland) nach Antalya am 18. Mai 2018 um 10.20 Uhr stattfinden werde. Später verlegte Corendon Airlines den Flug unter Beibehaltung der Flugnummer um eine Stunde und 40 Minuten auf 8.40 Uhr am gleichen Tag vor.

12 Da die Fluggäste den vorverlegten Flug verpassten, erhoben sie vor dem Amtsgericht Düsseldorf (Deutschland) Klage gegen Corendon Airlines und verlangten u. a. eine Ausgleichszahlung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Zur Stützung ihrer Klage machten sie geltend, sie seien über die Vorverlegung ihres Fluges, bei der es sich in Wirklichkeit um dessen „Annullierung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung gehandelt habe, nicht informiert worden. Corendon Airlines trug hingegen vor, die Fluggäste seien am 8. Mai 2018 vom Reiseunternehmen über die Vorverlegung ihres Fluges informiert worden.

13 Das Amtsgericht Düsseldorf stufte die Vorverlegung des Fluges um eine Stunde und 40 Minuten als geringfügig ein und sah darin keine „Annullierung“ des Fluges; es wies daher die Klage der Fluggäste ab.

14 Die Fluggäste legten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland), dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑146/20, ein. Dieses Gericht hat Zweifel, ob der vom Amtsgericht vertretene Standpunkt mit der Verordnung Nr. 261/2004 vereinbar ist.

15 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Liegt eine Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen den im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Flug mit planmäßigem Abflug um 10.20 Uhr (Ortszeit) auf 8.40 Uhr (Ortszeit) desselben Tages vorverlegt?
  2. Handelt es sich bei der Mitteilung zehn Tage vor Reisebeginn über die Vorverlegung eines Fluges von 10.20 Uhr (Ortszeit) auf 8.40 Uhr (Ortszeit) desselben Tages um das Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung? Rechtssache C‑188/20

16 LH buchte für sich und andere Fluggäste bei einem Reisebüro eine Pauschalreise nach Side (Türkei), die einen Flug von Düsseldorf nach Antalya und zurück einschloss.

17 In einem als „Reiseanmeldung“ bezeichneten Dokument, das LH übermittelt wurde, waren zwei Flüge der Fluggesellschaft Azurair GmbH aufgeführt, und zwar erstens der Flug ARZ 8711 von Düsseldorf nach Antalya am 15. Juli 2018 mit Abflug um 6.00 Uhr und Ankunft um 10.30 Uhr, und zweitens der Flug ARZ 8712 von Antalya nach Düsseldorf am 5. August 2018 mit Abflug um 12.00 Uhr und Ankunft um 14.45 Uhr. Neben diesen Angaben enthielt das Dokument in Großbuchstaben folgenden Hinweis: „Voraussichtliche Flugzeiten – Bitte uebe Sie zu Ihrer eigenen Sicherheit die Flug in Ihren Tickets.“ (sic)

18 Die Fluggäste nahmen die Flüge mit den in der Reiseanmeldung angegebenen Nummern wahr. Auf dem Hinflug erreichten sie Antalya jedoch am 16. Juli 2018 um 1.19 Uhr und beim Rückflug startete das Flugzeug am 5. August 2018 um 5.10 Uhr. Daher begehrten die Fluggäste vor dem Amtsgericht Düsseldorf von Azurair eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Unter Berufung auf die Angaben in der „Reiseanmeldung“ machten sie geltend, der Hinflug habe sich um mehr als drei Stunden verspätet, und der Rückflug sei annulliert worden, denn seine Vorverlegung sei als „Annullierung“ im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung einzustufen.

19 Azurair machte geltend, sie habe die fraglichen Flüge nicht zu den in der „Reiseanmeldung“ angegebenen Zeiten geplant; ihre Planung entspreche vielmehr den Angaben in der „Reisebestätigung/Rechnung“, die sie am 22. Januar 2018 der alltours flugreisen GmbH in deren Eigenschaft als Reiseunternehmen übersandt habe.

20 Demnach habe der Hinflug am 15. Juli 2018 um 20.05 Uhr starten und am Folgetag um 0.40 Uhr landen sollen; der Rückflug habe am 5. August 2018 um 8.00 Uhr starten und um 10.50 Uhr landen sollen. Der Hinflug habe sich daher gegenüber den Angaben im Flugplan nicht um drei Stunden oder mehr verspätet. Der Rückflug sei zwar in der Tat früher erfolgt als im Flugplan angegeben, aber diese Vorverlegung stelle keine „Annullierung“ im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Verordnung dar. Überdies müsste eine etwaige Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung gekürzt werden, weil die Fluggäste nur zwei Stunden und 50 Minuten vor ihrer planmäßigen Ankunftszeit an ihrem Endziel angekommen seien.

21 Das Amtsgericht Düsseldorf wies die Klage ab und führte zur Begründung aus, die „Reiseanmeldung“ stelle keine Bestätigung einer Buchung im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 dar, weil aus ihr klar hervorgehe, dass es sich lediglich um vorläufige Flugzeiten gehandelt habe. Im Übrigen gebe es kein Dokument, das als „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung angesehen werden könne.

22 Die Fluggäste legten gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf beim Landgericht Düsseldorf, dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑188/20, Berufung ein. Dieses Gericht hat Zweifel, ob der vom Amtsgericht vertretene Standpunkt mit der Verordnung Nr. 261/2004 vereinbar ist.

23 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Verfügt ein Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004, wenn er von einem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, ohne dass das Reiseunternehmen eine Platzreservierung für diesen Flug bei dem betreffenden Luftfahrtunternehmen vorgenommen und von diesem bestätigt erhalten hat?
  2. Ist ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast bereits dann als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen, wenn dieser Fluggast zwar in einer Vertragsbeziehung zu einem Reiseunternehmen steht, das ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen hat, das Reiseunternehmen jedoch für den Fluggast keinen Sitzplatz reserviert und damit keine Vertragsbeziehung zu dem Luftfahrtunternehmen im Hinblick auf diesen Flug begründet hat?
  3. Kann sich die „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 für die Zwecke der Ausgleichsleistung wegen Annullierung oder großer Ankunftsverspätung aus einem „anderen Beleg“ ergeben, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat, oder ist dafür auf den Flugschein gemäß Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 261/2004 abzustellen?
  4. Liegt eine Annullierung eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vor, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen den im Rahmen einer Pauschalreise gebuchten Flug innerhalb desselben Tages um mindestens zwei Stunden und zehn Minuten vorverlegt?
  5. Kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 gemäß Art. 7 Abs. 2 der Verordnung kürzen, wenn sich der Zeitraum der Vorverlegung eines Fluges innerhalb der dort genannten Zeiträume bewegt?
  6. Handelt es sich bei einer Mitteilung vor Reisebeginn über die zeitliche Vorverlegung eines Fluges um das Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004?
  7. Verpflichtet Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er welchen nach der Entfernung gestaffelten Betrag verlangen kann und gegebenenfalls welche Unterlagen er seinem Verlangen beifügen soll? Rechtssache C‑196/20

24 Am 24. Oktober 2017 buchten zwei Fluggäste bei einem Reisebüro eine Pauschalreise einschließlich eines Fluges von Hamburg (Deutschland) nach Palma de Mallorca (Spanien) und zurück.

25 Die Fluggäste erhielten vom Reiseunternehmen ITS ein als „Reiseanmeldung“ bezeichnetes Dokument; demnach sollte der Hinflug unter der Nummer EW 7582 am 22. Mai 2018 von der Fluggesellschaft Eurowings mit der Abflugzeit 7.30 Uhr und der Ankunftszeit 10.05 Uhr durchgeführt werden.

26 Die Fluggäste nahmen den Flug mit dieser Nummer wahr. Sie erreichten ihr Endziel jedoch nicht um 10.05 Uhr, sondern um 21.08 Uhr. Sie traten ihre etwaigen Ausgleichsansprüche nach der Verordnung Nr. 261/2004 an flightright ab, die beim Amtsgericht Düsseldorf Klage mit der Begründung erhob, dass die Fluggäste über eine bestätigte Buchung für den fraglichen Flug mit planmäßiger Ankunft um 10.05 Uhr verfügt hätten.

27 Eurowings hielt dem entgegen, dass den Fluggästen eine bestätigte Buchung für den Flug EW 7582 mit planmäßiger Ankunft um 19.05 Uhr vorgelegen habe. Folglich habe die Verspätung weniger als drei Stunden betragen, so dass kein Anspruch auf Ausgleichszahlung nach der Verordnung Nr. 261/2004 bestehe.

28 Das Amtsgericht Düsseldorf gab der Klage von flightright mit der Begründung statt, dass die vom Reiseunternehmen ITS ausgestellte „Reiseanmeldung“ eine Buchungsbestätigung im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 in Verbindung mit deren Art. 2 Buchst. f darstelle. Die den betreffenden Fluggästen übermittelte „Reiseanmeldung“ stelle einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g dar; diese Bestimmung verlange nur, dass die Buchung vom Reiseunternehmen akzeptiert worden sei. Wie der Vorlageentscheidung zu entnehmen ist, gab es kein Dokument, das als „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung angesehen werden konnte.

29 Eurowings legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf Berufung beim Landgericht Düsseldorf, dem vorlegenden Gericht in der Rechtssache C‑196/20, ein. Dieses Gericht wirft im Wesentlichen die Frage auf, ob eine von einem Reiseunternehmen ausgestellte Buchungsbestätigung, die nicht auf einer Buchung bei dem auf Ausgleichsleistung in Anspruch genommenen Luftfahrtunternehmen beruht, als „bestätigte Buchung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 angesehen werden kann.

30 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Verfügt ein Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004, wenn er von einem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, ohne dass das Reiseunternehmen eine Platzreservierung für diesen Flug bei dem betreffenden Luftfahrtunternehmen vorgenommen und von diesem bestätigt erhalten hat?
  2. Ist ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast bereits dann als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen, wenn dieser Fluggast zwar in einer Vertragsbeziehung zu einem Reiseunternehmen steht, das ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen hat, das Reiseunternehmen jedoch für den Fluggast keinen Sitzplatz reserviert und damit keine Vertragsbeziehung zu dem Luftfahrtunternehmen im Hinblick auf diesen Flug begründet hat?
  3. Kann sich die „planmäßige Ankunftszeit“ eines Fluges im Sinne von Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 für die Zwecke der Ausgleichsleistung wegen Annullierung oder großer Ankunftsverspätung aus einem „anderen Beleg“ ergeben, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat, oder ist dafür auf den Flugschein gemäß Art. 2 Buchst. f der Verordnung Nr. 261/2004 abzustellen? Rechtssache C‑270/20

31 Die Fluggäste AG, MG und HG buchten bei der Fluggesellschaft Austrian Airlines einen Flug von Wien (Österreich) nach Kairo (Ägypten). Die planmäßige Abflugzeit war 22.15 Uhr am 24. Juni 2017, die planmäßige Ankunftszeit 1.45 Uhr des Folgetags. Am Tag des Fluges annullierte Austrian Airlines den Flug und bot den Fluggästen einen Flug mit Abflug am selben Tag um 10.20 Uhr und Ankunft in Kairo um 13.50 Uhr an, was diese akzeptierten. Sie erreichten ihr Endziel somit elf Stunden und 55 Minuten vor der ursprünglich vorgesehenen planmäßigen Ankunftszeit.

32 Austrian Airlines erbrachte an jeden der Fluggäste außergerichtlich eine Ausgleichszahlung in Höhe von 200 Euro, wobei sie den in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Betrag der Ausgleichsleistung gemäß deren Art. 7 Abs. 2 Buchst. b um 50 % kürzte.

33 Die Fluggäste erhoben beim Bezirksgericht Schwechat (Österreich) eine Klage gegen Austrian Airlines auf vollständige Entschädigung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004. Zur Stützung ihrer Klage machten sie geltend, sie seien zwar nicht verspätet in Kairo eingetroffen, doch ihre vorzeitige Ankunft habe sie ebenso geschädigt wie eine erhebliche Verspätung; sie hätten das Angebot von Austrian Airlines, einen früheren Flug zu nehmen, nur angenommen, weil sie durch die von dieser Fluggesellschaft angebotene Alternative zwei Urlaubstage verloren hätten.

34 Das Bezirksgericht Schwechat wies die Klage mit der Begründung ab, aus dem klaren Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ergebe sich, dass diese Bestimmung auch dann anwendbar sei, wenn der Fluggast sein Endziel mit einem früheren Flug erreiche.

35 Die Fluggäste in der Rechtssache C‑270/20 legten gegen das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat beim Landesgericht Korneuburg (Österreich), dem vorlegenden Gericht in dieser Rechtssache, Berufung ein. Dieses Gericht wirft die Frage auf, ob Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004, wonach die Ausgleichszahlung bei einer Verspätung von nicht mehr als drei Stunden um 50 % gekürzt werden darf, auch dann angewendet werden kann, wenn die Ankunft früher erfolgt als im ursprünglichen Flugplan vorgesehen. Hierzu führt das vorlegende Gericht aus, dass ein erheblich früherer Abflug für den Fluggast zu Unannehmlichkeiten führen könne, die gemessen an den in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien ebenso schwerwiegend seien wie eine verspätete Ankunft.

36 Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Korneuburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist Art. 7 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen den Anspruch auf Ausgleichsleistung nach Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung auch dann kürzen kann, wenn den Fluggästen infolge Annullierung des gebuchten Fluges ein Alternativflug angeboten wird, dessen planmäßige Abflugzeit und dessen planmäßige Ankunftszeit jeweils elf Stunden und 55 Minuten vor den Flugzeiten des annullierten Fluges liegen?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20

37 Mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die mit seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑196/20 identisch ist, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird, obwohl das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung für die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.

38 Im vorliegenden Fall geht aus den Vorlageentscheidungen in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 hervor, dass das den Fluggästen vom Reiseunternehmen übermittelte Dokument andere Informationen über die Abflug- und Ankunftszeiten der Flüge enthielt als die, die das Luftfahrtunternehmen dem Reiseunternehmen zuletzt übermittelt hatte. Die letztgenannten Informationen wurden den Fluggästen hingegen nicht übermittelt, so dass sie nur über die Informationen in dem vom Reiseunternehmen übermittelten Dokument verfügten.

39 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 deren Anwendungsbereich regelt und in Abs. 2 Buchst. a bestimmt, dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen muss.

40 In der Verordnung Nr. 261/2004 wird der Begriff „bestätigte Buchung“ nicht definiert. Der Begriff „Buchung“ wird hingegen in Art. 2 Buchst. g der Verordnung definiert als der „Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde“.

41 Aus dieser Definition ergibt sich, dass eine Buchung aus einem „anderen Beleg“ bestehen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung entweder vom Luftfahrtunternehmen oder vom Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Daraus folgt, dass eine vom Reiseunternehmen akzeptierte und registrierte Buchung den gleichen Wert hat wie eine vom Luftfahrtunternehmen akzeptierte und registrierte Buchung.

42 Verfügt der Fluggast über einen vom Reiseunternehmen ausgestellten „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004, kommt dieser andere Beleg folglich einer „Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung gleich.

43 Im vorliegenden Fall geht das vorlegende Gericht in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 von der Prämisse aus, dass die den Fluggästen in diesen Rechtssachen vom Reiseunternehmen übermittelten Reiseanmeldungen einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen. Speziell in der Rechtssache C‑188/20 wird jedoch, wie den Angaben zum Sachverhalt zu entnehmen ist, in der Anmeldung ausdrücklich erwähnt, dass es sich um voraussichtliche Flugzeiten handelt. Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht zu klären, ob die Anmeldungen tatsächlich eine akzeptierte und registrierte Buchung im Sinne von Art. 2 Buchst. g darstellen.

44 Sollte dies zu bejahen sein, möchte das vorlegende Gericht speziell wissen, ob eine Buchung auch vom Reiseunternehmen und nicht nur vom Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 „bestätigt“ werden kann.

45 Hierzu ist festzustellen, dass aus Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Verordnung nicht hervorgeht, ob das Reiseunternehmen eine Buchung bestätigen kann.

46 Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen, sondern auch ihr Kontext und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

47 Zum Kontext der genannten Bestimmung ist darauf hinzuweisen, dass in mehreren Bestimmungen der Verordnung Nr. 261/2004 für die Zwecke ihrer Anwendung nicht zwischen dem Reiseunternehmen und dem Luftfahrtunternehmen unterschieden wird. Dies gilt u. a. für Art. 3 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Verordnung, wonach die Zeit, zu der sich der Fluggast zur Abfertigung einfinden muss, vom Luftfahrtunternehmen, von einem Reiseunternehmen oder von einem zugelassenen Reisevermittler angegeben werden kann. Es gilt auch für Art. 3 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung, wonach der Fluggast sowohl vom Luftfahrtunternehmen als auch vom Reiseunternehmen auf einen anderen Flug verlegt werden kann.

48 Außerdem liefe es dem im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Ziel, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, zuwider, wenn eine Buchung nur vom Luftfahrtunternehmen bestätigt werden könnte, so dass der Fluggast die vom Reiseunternehmen gelieferten Informationen überprüfen müsste.

49 Die Verordnung Nr. 261/2004 zielt nämlich darauf ab, das Risiko, dass Reiseunternehmen im Rahmen ihrer Tätigkeiten den Fluggästen ungenaue Auskünfte erteilen, dem Luftfahrtunternehmen aufzuerlegen. In diesem Zusammenhang hat der Fluggast nicht Teil an der zwischen dem Luftfahrtunternehmen und dem Reiseunternehmen bestehenden Beziehung, und von ihm kann nicht verlangt werden, dass er sich insoweit Informationen beschafft.

50 Aus den letztgenannten Erwägungen ergibt sich ferner, dass der Umstand, dass das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung für die Abflug- und Ankunftszeit erhalten hat, keinen Einfluss auf die oben in Rn. 43 angesprochene, vom vorlegenden Gericht vorzunehmende Beurteilung hat.

51 Nach alledem ist auf die erste Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird; dies gilt auch dann, wenn das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.

Zur zweiten Frage in den Rechtssachen C‑188/20und C‑196/20

52 Mit seiner zweiten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die mit seiner zweiten Frage in der Rechtssache C‑196/20 identisch ist, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat.

53 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ in Art. 2 Buchst. b der Verordnung definiert wird als ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags, sei es mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt.

54 In dieser Definition werden somit zwei kumulative Voraussetzungen für die Einstufung eines Luftfahrtunternehmens als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ aufgestellt, und zwar zum einen die Durchführung des betreffenden Fluges und zum anderen das Bestehen eines Vertrags mit einem Fluggast (Urteil vom 4. Juli 2018, Wirth u. a., C‑532/17, EU:C:2018:527, Rn. 18).

55 Die erste Voraussetzung betrifft den Begriff „Flug“, der ihr zentrales Element darstellt. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist darunter ein „Luftbeförderungsvorgang [zu verstehen], der somit in gewisser Weise eine ‚Einheit‘ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt“ (Urteil vom 4. Juli 2018, Wirth u. a., C‑532/17, EU:C:2018:527, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

56 Folglich ist als ausführendes Luftfahrtunternehmen das Unternehmen anzusehen, das im Rahmen seiner Tätigkeit der Beförderung von Fluggästen die Entscheidung trifft, einen bestimmten Flug durchzuführen – die Festlegung seiner Flugroute eingeschlossen – und dadurch ein an Interessierte gerichtetes Angebot für den Luftverkehr zu schaffen. Eine solche Entscheidung zu treffen bedeutet nämlich, dass das Unternehmen die Verantwortung für die Durchführung dieses Fluges übernimmt, einschließlich insbesondere seiner etwaigen Annullierung oder einer etwaigen großen Verspätung bei seiner Ankunft (Urteil vom 4. Juli 2018, Wirth u. a., C‑532/17, EU:C:2018:527, Rn. 20).

57 Im vorliegenden Fall steht fest, dass nach dem Sachverhalt in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 die einzige Änderung, die das Luftfahrtunternehmen gegenüber der den betreffenden Fluggästen übermittelten Reiseanmeldung vornahm, die Flugzeiten betraf.

58 Wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann aber der bloße Umstand, dass die Buchung des Fluggasts beim Reiseunternehmen Flugzeiten enthält, die vom Luftfahrtunternehmen im Rahmen der internen Buchung zwischen ihm und dem Reiseunternehmen nicht bestätigt wurden, nicht dazu führen, dass die in Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Voraussetzungen als nicht erfüllt angesehen werden.

59 Hat ein Luftfahrtunternehmen ein Beförderungsangebot im Luftverkehr unterbreitet, das dem Angebot entspricht, auf das ein Reiseunternehmen im Rahmen seiner Beziehung zu einem Fluggast zurückgegriffen hat – sei es auch vorbehaltlich späterer Änderungen dieses Angebots –, ist nämlich davon auszugehen, dass das Luftfahrtunternehmen im Sinne von Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 einen Flug durchzuführen beabsichtigt.

60 Diese Auslegung wird durch das im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannte Ziel, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, bestätigt, da so gewährleistet werden kann, dass die beförderten Fluggäste entschädigt oder betreut werden, ohne dass Vereinbarungen berücksichtigt werden müssten, die das Luftfahrtunternehmen, das entschieden hat, den betreffenden Flug zu einer anderen als der ursprünglich vorgesehenen Zeit durchzuführen, getroffen hat, um ihn konkret sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2018, Wirth u. a., C‑532/17, EU:C:2018:527, Rn. 23).

61 Hinzu kommt, dass ein Luftfahrtunternehmen, das aufgrund eines Verhaltens des Reiseunternehmens den Fluggästen eine Ausgleichszahlung nach der Verordnung Nr. 261/2004 leisten muss, die Möglichkeit hat, gegen das Reiseunternehmen Regressansprüche gemäß Art. 13 der Verordnung zu erheben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

62 Nach alledem ist auf die zweite Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 zu antworten, dass Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat.

Zur dritten Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20

63 Mit seiner dritten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die mit seiner dritten Frage in der Rechtssache C‑196/20 identisch ist, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat, oder ob sie auf einem „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung angegeben sein muss.

64 Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004, in denen der Begriff „planmäßige Ankunftszeit“ im Wesentlichen erwähnt wird, betreffen die Voraussetzungen, unter denen eine pauschale Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung geschuldet sein könnte. Die Verordnung enthält jedoch keine Definition des Begriffs „planmäßige Ankunftszeit“.

65 Im vorliegenden Fall steht bei den Sachverhalten in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 fest, dass die Fluggäste über nur ein als „Reiseanmeldung“ bezeichnetes Dokument verfügten und nicht im Besitz eines Dokuments waren, das als „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung eingestuft werden könnte.

66 Wie im Rahmen der Prüfung der ersten Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 ausgeführt worden ist, können Fluggäste jedoch nicht nur dann über eine Buchung verfügen, wenn sie einen Flugschein haben, sondern auch dann, wenn sie einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung haben. Sofern das den Fluggästen der Ausgangsverfahren in diesen Rechtssachen sind, ausgehändigte Dokument einen „anderen Beleg“ darstellt, ist somit im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass sie über eine „Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügten, in der die Flugzeiten angegeben waren. Da ihnen weder das Reiseunternehmen noch das Luftfahrtunternehmen eine Änderung mitgeteilt hatte, waren sie zu der Annahme berechtigt, dass die in der Buchung enthaltenen Flugzeiten die planmäßigen Abflug- und Ankunftszeiten im Sinne der oben in Rn. 64 genannten Bestimmungen auswiesen.

67 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts (C‑11/11, EU:C:2013:106), die Auslegung, wonach die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung Nr. 261/2004 hervorgehen kann, nicht entkräftet. Anders als beim Sachverhalt der Ausgangsverfahren in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 war in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen ist, nämlich kein Reiseunternehmen tätig geworden, und der Fluggast verfügte über einen „Flugschein“ im Sinne von Art. 2 Buchst. f der Verordnung.

68 Nach alledem ist auf die dritte Frage in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑196/20 zu antworten, dass Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat.

Zur vierten Frage in der Rechtssache C‑188/20 und zur ersten Frage in der Rechtssache C‑146/20

69 Mit seiner vierten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die seiner ersten Frage in der Rechtssache C‑146/20 entspricht, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass ein Flug als „annulliert“ zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehrere Stunden vorverlegt.

70 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „Annullierung“ in Art. 2 Buchst. l dieser Verordnung definiert wird als „die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war“.

71 Der Begriff „Flug“ wird in der Verordnung nicht definiert. Wie oben in Rn. 55 ausgeführt, besteht ein Flug jedoch im Wesentlichen aus einem „Luftbeförderungsvorgang, der somit in gewisser Weise eine ‚Einheit‘ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt“.

72 Ferner hat der Gerichtshof zum einen ausgeführt, dass die Flugroute ein wesentliches Element des Fluges ist, der nach einem vom Luftfahrtunternehmen im Voraus aufgestellten Flugplan durchgeführt wird (Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 30).

73 Zum anderen ergibt sich aus der Definition in Art. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 261/2004 nicht, dass die „Annullierung“ eines Fluges im Sinne dieser Bestimmung über den Umstand hinaus, dass der ursprünglich vorgesehene Flug nicht durchgeführt wurde, eine ausdrückliche Entscheidung erfordert, ihn zu annullieren (Urteil vom 13. Oktober 2011, Sousa Rodríguez u. a., C‑83/10, EU:C:2011:652, Rn. 29).

74 Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung regeln zwar nicht, wie die Vorverlegung eines Fluges zu behandeln ist. Nach der oben in Rn. 46 angeführten Rechtsprechung sind jedoch bei der Auslegung einer Unionsvorschrift ihr Wortlaut sowie ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden.

75 Zum Kontext von Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 ist festzustellen, dass die Verordnung im Rahmen der in ihrem Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und iii vorgesehenen anderweitigen Beförderungen auf Fälle der Vorverlegung eines Fluges Bezug nimmt. Die letztgenannte Bestimmung sieht nämlich vor, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, zur Ausgleichsleistung verpflichtet ist, es sei denn, das Unternehmen unterrichtet ihn innerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fristen über die Annullierung und bietet ihm eine anderweitige Beförderung an, die es ihm ermöglicht, je nach Fall nicht mehr als eine bzw. zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und sein Endziel höchstens vier bzw. zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

76 Folglich hat der Unionsgesetzgeber anerkannt, dass eine erhebliche Vorverlegung eines Fluges in gleicher Weise wie dessen Verspätung für die Fluggäste zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten führen kann, da eine solche Vorverlegung ihnen die Möglichkeit nimmt, frei über ihre Zeit zu verfügen und ihre Reise oder ihren Aufenthalt nach Maßgabe ihrer Erwartungen zu gestalten.

77 Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Fluggast, der alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, aufgrund der Vorverlegung des von ihm gebuchten Fluges das Flugzeug nicht nehmen kann. Es ist auch dann der Fall, wenn die neue Abflugzeit den Fluggast zwingt, erhebliche Anstrengungen zu unternehmen, um seinen Flug zu erreichen.

78 Überdies ist darauf hinzuweisen, dass das Hauptziel der Verordnung Nr. 261/2004, wie sich u. a. aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt, darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen (Urteil vom 17. September 2015, van der Lans, C‑257/14, EU:C:2015:618, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

79 Dazu hat der Gerichtshof entschieden, dass im Einklang mit diesem Ziel die Vorschriften, die den Fluggästen Rechte gewähren, weit auszulegen sind (Urteil vom 22. April 2021, Austrian Airlines, C‑826/19, EU:C:2021:318, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung).

80 Da die Verordnung Nr. 261/2004 darauf abzielt, die verschiedenen Schäden in Form schwerwiegender Unannehmlichkeiten im Passagierluftverkehr in standardisierter Weise und unverzüglich zu beheben (Urteil vom 3. September 2020, Delfly, C‑356/19, EU:C:2020:633, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung), und da den Fluggästen unter Umständen wie den oben in Rn. 76 genannten schwerwiegende Unannehmlichkeiten entstehen können, ist der Begriff „Annullierung“ dahin auszulegen, dass er auch die Situation umfasst, in der ein Flug in erheblichem Maß vorverlegt wird.

81 Insoweit ist zu unterscheiden zwischen Situationen, in denen die Vorverlegung keine oder nur eine unerhebliche Auswirkung auf die Möglichkeit für die Fluggäste hat, frei über ihre Zeit zu verfügen, und Situationen, die aufgrund der erheblichen Vorverlegung eines Fluges zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten wie den oben in den Rn. 76 und 77 beschriebenen führen.

82 Zur Abgrenzung zwischen einer erheblichen und einer unerheblichen Vorverlegung eines Fluges sind die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. ii und iii der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Schwellenwerte heranzuziehen.

83 Hervorzuheben ist, dass sich eine Vorverlegung von einer Verspätung – zu der der Gerichtshof entschieden hat, dass die Fluggäste einen Ausgleichsanspruch erlangen, wenn sie gegenüber der ursprünglich von dem Luftfahrtunternehmen angesetzten Dauer einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr erleiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 57) – unterscheidet, denn die Fluggäste müssen tätig werden, damit sie das Flugzeug trotz der Vorverlegung des gebuchten Fluges erreichen können. Der Unterschied ergibt sich auch daraus, dass der Unionsgesetzgeber in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 Verspätungen von weniger als zwei Stunden für akzeptabel erachtet, während Vorverlegungen eine Stunde nicht überschreiten dürfen.

84 Aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung geht hervor, dass eine Vorverlegung um eine Stunde oder weniger geeignet ist, das ausführende Luftfahrtunternehmen von seiner Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung an den Fluggast gemäß Art. 7 der Verordnung zu befreien. Somit ist davon auszugehen, dass es für die Feststellung, ob die Vorverlegung für die Zwecke der Anwendung von Art. 5 der Verordnung erheblich oder unerheblich ist, darauf ankommt, ob sie mehr als eine Stunde beträgt oder geringer ist.

85 Diese Auslegung wahrt den Ausgleich zwischen den Interessen der Fluggäste und den Interessen der ausführenden Luftfahrtunternehmen, den der Unionsgesetzgeber durch den Erlass der Verordnung Nr. 261/2004 schaffen wollte (vgl. entsprechend Urteil vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a., C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

86 Sie ermöglicht es den Fluggästen nämlich, bei schwerwiegenden Unannehmlichkeiten im Zusammenhang mit der erheblichen Vorverlegung eines Fluges eine Ausgleichsleistung zu erhalten, und entbindet zugleich die ausführenden Luftfahrtunternehmen von der Pflicht zur Zahlung einer Ausgleichsleistung, wenn sie die Fluggäste unter den in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i bis iii der Verordnung vorgesehenen Bedingungen über die Vorverlegung des Fluges unterrichten.

87 Nach alledem ist auf die vierte Frage in der Rechtssache C‑188/20 und die erste Frage in der Rechtssache C‑146/20 zu antworten, dass Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass ein Flug als „annulliert“ zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt.

Zur fünften Frage in der Rechtssache C‑188/20 und zur einzigen Frage in der Rechtssache C‑270/20

88 Mit der fünften Frage in der Rechtssache C‑188/20 und der einzigen Frage in der Rechtssache C‑270/20 möchten das Landgericht Düsseldorf und das Landesgericht Korneuburg wissen, ob Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 für einen Fall gilt, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen liegt.

89 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art. 7 Abs. 2 der Verordnung berechtigt ist, die in Art. 7 Abs. 1 vorgesehene pauschale Ausgleichszahlung um 50 % zu kürzen, wenn den Fluggästen gemäß Art. 8 der Verordnung eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten wird, dessen Ankunftszeit die planmäßige Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges je nach Entfernung um nicht mehr als zwei bis vier Stunden überschreitet.

90 Wie der Generalanwalt in Nr. 105 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, geht aus Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ausdrücklich hervor, dass das Recht, die Ausgleichszahlung zu kürzen, den Fall betrifft, in dem das ausführende Luftfahrtunternehmen eine anderweitige, die Verspätung am Endziel begrenzende Beförderung anbietet. Sie erfasst hingegen nicht den Fall, in dem der Fluggast aufgrund einer Vorverlegung seines Fluges vor der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel ankommt.

91 Insoweit ist hinzuzufügen, dass der Unionsgesetzgeber sowohl die Vorverlegung als auch die Verspätung eines Fluges im Rahmen des in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 geregelten Angebots einer anderweitigen Beförderung berücksichtigt hat. Im Bewusstsein der mit der Vorverlegung von Flügen verbundenen Unannehmlichkeiten ging er gleichwohl nicht davon aus, dass eine vom ausführenden Luftfahrtunternehmen angebotene anderweitige Beförderung, die es ermöglicht, den Umfang der nachteiligen Folgen eines vorzeitigen Abflugs zu begrenzen, zu einer Kürzung der Ausgleichszahlung führen kann.

92 Müsste einem ausführenden Luftfahrtunternehmen, das eine anderweitige Beförderung mit früherer Ankunft anbietet, eine solche Möglichkeit eingeräumt werden, hätte dies zur Folge, dass in Fällen, in denen das Luftfahrtunternehmen den Flug erheblich vorverlegt, systematisch eine Kürzung der Ausgleichszahlung möglich wäre.

93 Wie im Rahmen der vierten Frage in der Rechtssache C‑188/20 und der ersten Frage in der Rechtssache C‑146/20 ausgeführt, führt die erhebliche Vorverlegung eines Fluges aber zu schwerwiegenden Unannehmlichkeiten, die einen Ausgleichsanspruch rechtfertigen. Wäre in einer solchen Situation allein deshalb, weil der Fluggast ohne Verspätung am Endziel ankommt und sich somit innerhalb der in Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Grenzen befindet, stets eine Kürzung der Ausgleichszahlung zulässig, liefe dies dem mit der Verordnung verfolgten Ziel zuwider, die Rechte von Fluggästen zu stärken, die schwerwiegende Unannehmlichkeiten erleiden.

94 Nach alledem ist auf die fünfte Frage in der Rechtssache C‑188/20 und die einzige Frage in der Rechtssache C‑270/20 zu antworten, dass Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass er nicht für einen Fall gilt, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen liegt.

Zur sechsten Frage in der Rechtssache C‑188/20 und zur zweiten Frage in der Rechtssache C‑146/20

95 Mit seiner sechsten Frage in der Rechtssache C‑188/20, die seiner zweiten Frage in der Rechtssache C‑146/20 entspricht, möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellen kann.

96 Insoweit ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung, dass den von der Annullierung eines Fluges betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt angeboten werden muss.

97 Wird der Flug – wie in der Situation, um die es in den Rechtssachen C‑188/20 und C‑146/20 geht – vorverlegt, kann es sich um eine anderweitige Beförderung „unter vergleichbaren Reisebedingungen“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung handeln, da allein die Flugzeiten geändert wurden.

98 Außerdem kann ein Angebot einer anderweitigen Beförderung mit einem früheren als dem annullierten Flug eine anderweitige Beförderung „zum frühestmöglichen Zeitpunkt“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 darstellen, da dieses Angebot es dem Fluggast ermöglicht, sein Endziel schnellstmöglich zu erreichen.

99 Hinzu kommt, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, eine Wahl zwischen den verschiedenen in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a bis c der Verordnung aufgeführten Optionen bieten muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juli 2019, Rusu, C‑354/18, EU:C:2019:637, Rn. 58).

100 Um den Fluggast in die Lage zu versetzen, seine Rechte im Fall der Annullierung wirksam im Sinne des 20. Erwägungsgrundes der Verordnung wahrzunehmen, obliegt es dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, ihm alle Informationen über die aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung resultierenden Rechte zu liefern.

101 Nach alledem ist auf die sechste Frage in der Rechtssache C‑188/20 und die zweite Frage in der Rechtssache C‑146/20 zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellen kann.

Zur siebten Frage in der Rechtssache C‑188/20

102 Mit seiner siebten Frage in der Rechtssache C‑188/20 möchte das Landgericht Düsseldorf wissen, ob Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass er das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er welche Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Ausgleichsbegehren gegebenenfalls beifügen soll.

103 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 14 Abs. 2 der Verordnung das ausführende Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis zur Verfügung stellen muss, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß der Verordnung dargelegt werden. Diese Bestimmung sieht ferner vor, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen einen entsprechenden Hinweis zur Verfügung stellt.

104 Die genannte Bestimmung ist im Licht des 20. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 261/2004 zu lesen, aus dem hervorgeht, dass die Fluggäste u. a. bei der Annullierung von Flügen umfassend über ihre Rechte informiert werden sollten, damit sie diese Rechte wirksam wahrnehmen können.

105 Die wirksame Wahrnehmung der Rechte, die sich aus der Verordnung ergeben, setzt nämlich voraus, dass der Fluggast in die Lage versetzt wird, sich in zweckdienlicher Weise an das Unternehmen zu wenden, von dem er eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 der Verordnung verlangen kann, so dass er zu diesem Zweck über die genaue Bezeichnung und die Anschrift dieses Unternehmens verfügen muss.

106 Außerdem setzt die Information über die Regeln für Ausgleichsleistungen, die das ausführende Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 liefern muss, voraus, dass der Fluggast auch über das Verfahren für die Geltendmachung seiner Ansprüche unterrichtet wird. Insoweit obliegt es dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, dem Fluggast mitzuteilen, welche Unterlagen er seinem Ausgleichsbegehren gegebenenfalls beifügen soll.

107 Dagegen ist das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, den Fluggast über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung zu unterrichten, die er unter Umständen nach Art. 7 der Verordnung erhalten kann. Eine solche Angabe beträfe nämlich nicht mehr die „Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung“ im Sinne ihres Art. 14 Abs. 2, sondern deren Anwendung auf einen Einzelfall.

108 Nach alledem ist auf die siebte Frage in der Rechtssache C‑188/20 zu antworten, dass Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass er das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Ausgleichsbegehren gegebenenfalls beifügen soll; das Luftfahrtunternehmen muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung unterrichten, die er unter Umständen nach Art. 7 der Verordnung beanspruchen kann.

Kosten

109 Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird; dies gilt auch dann, wenn das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat.
  2. Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat.
  3. Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat.
  4. Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass ein Flug als „annulliert“ zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt.
  5. Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er nicht für einen Fall gilt, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen liegt.
  6. Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellen kann.
  7. Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Verlangen gegebenenfalls beifügen soll; das Luftfahrtunternehmen muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung unterrichten, die er unter Umständen nach Art. 7 der Verordnung beanspruchen kann.

Bay Larsen

Bonichot

Safjan

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. Dezember 2021.

Der Kanzler

Der Präsident

A. Calot Escobar

K. Lenaerts

Quelle:

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=261%252F2004&docid=251508&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=10227#ctx1