Für die Rechtzeitigkeit der Mitteilung einer Annullierung ist nicht entscheidend, wann das Luftfahrtunternehmen diese dem Fluggast per E-Mail mitgeteilt hat, sondern ob und ggf. wann dieser tatsächlich über die Streichung informiert wurde. Das gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen nicht wusste, dass die Nachricht lediglich den Vermittler erreicht.
Leitsätze der Kanzlei Woicke
In der Rechtssache C‑307/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Kleve (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. März 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Mai 2021, in dem Verfahren
AB u. a.
gegen
Ryanair DAC
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Jääskinen sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und N. Piçarra,
Generalanwalt: P. Pikamäe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von AB u. a., vertreten durch Rechtsanwalt C. Jansen,
– der Ryanair DAC, vertreten durch Rechtsanwältin S. Hensel,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, K. Simonsson und G. Wilms als Bevollmächtigte,
aufgrund der nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen AB und mehreren anderen Fluggästen auf der einen und dem Luftfahrtunternehmen Ryanair DAC wegen dessen Weigerung, diesen Fluggästen nach der Annullierung ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Erwägungsgründe 1, 7 und 12 der Verordnung Nr. 261/2004 lauten:
„(1) Die Maßnahmen der [Europäischen Union] im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.
…
(7) Damit diese Verordnung wirksam angewandt wird, sollten die durch sie geschaffenen Verpflichtungen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen obliegen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, und zwar unabhängig davon, ob der Flug mit einem eigenen Luftfahrzeug oder mit einem mit oder ohne Besatzung gemieteten Luftfahrzeug oder in sonstiger Form durchgeführt wird.
…
(12) Das Ärgernis und die Unannehmlichkeiten, die den Fluggästen durch die Annullierung von Flügen entstehen, sollten ebenfalls verringert werden. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Luftfahrtunternehmen veranlasst werden, die Fluggäste vor der planmäßigen Abflugzeit über Annullierungen zu unterrichten und ihnen darüber hinaus eine zumutbare anderweitige Beförderung anzubieten, so dass die Fluggäste umdisponieren können. Andernfalls sollten die Luftfahrtunternehmen den Fluggästen einen Ausgleich leisten und auch eine angemessene Betreuung anbieten, es sei denn, die Annullierung geht auf außergewöhnliche Umstände zurück, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“
4 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
…
b) ‚ausführendes Luftfahrtunternehmen‘ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;
…“
5 Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 lautet:
„Diese Verordnung gilt für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Absätze 1 und 2 erbringen. Erfüllt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.“
6 Art. 5 („Annullierung“) Abs. 1 und 4 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:
„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen
…
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,
i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder
…
(4) Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen.“
7 Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sieht vor:
„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
…
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
…“
8 Art. 13 („Regressansprüche“) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:
„In Fällen, in denen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung leistet oder die sonstigen sich aus dieser Verordnung ergebenden Verpflichtungen erfüllt, kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht des Luftfahrtunternehmens beschränkt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auch Dritten, Regress zu nehmen. Insbesondere beschränkt diese Verordnung in keiner Weise das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Erstattung von einem Reiseunternehmen oder einer anderen Person zu verlangen, mit der es in einer Vertragsbeziehung steht. Gleichfalls kann keine Bestimmung dieser Verordnung in dem Sinne ausgelegt werden, dass sie das Recht eines Reiseunternehmens oder eines nicht zu den Fluggästen zählenden Dritten, mit dem das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Vertragsbeziehung steht, beschränkt, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen gemäß den anwendbaren einschlägigen Rechtsvorschriften eine Erstattung oder Entschädigung zu verlangen.“
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
9 AB und die weiteren Kläger des Ausgangsverfahrens begehren von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen Ryanair Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 in Höhe von jeweils 400 Euro zuzüglich Zinsen wegen der Annullierung ihres von diesem Luftfahrtunternehmen durchgeführten Fluges.
10 Die Kläger hatten bei dem Luftfahrtunternehmen über den Reisevermittler kiwi.com einen für den 6. April 2019 vorgesehenen Flug von Düsseldorf-Weeze (Deutschland) nach Tanger (Marokko) gebucht.
11 Bei der Buchung wurden dem Luftfahrtunternehmen eine Telefonnummer und eine E‑Mail‑Adresse mitgeteilt, auf die die Kläger keinen Zugriff hatten und die von dem Reisevermittler kiwi.com wohl automatisch generiert worden war. An diese Adresse versandte das ausführende Luftfahrtunternehmen am 14. Dezember 2018 eine E‑Mail mit der Nachricht, dass der von den Klägern gebuchte Flug annulliert worden sei.
12 Im ersten Rechtszug machten die Kläger des Ausgangsverfahrens geltend, bei der Buchung ihre eigene E‑Mail‑Adresse und eine Telefonnummer angegeben zu haben. Sie hätten nicht gewusst, dass der Reisevermittler dem ausführenden Luftfahrtunternehmen eine andere E‑Mail‑Adresse mitgeteilt habe.
13 Da den Klägern von dem Reisevermittler keine Nachricht des ausführenden Luftfahrtunternehmens weitergeleitet worden sei, hätten sie erst am 5. April 2019 bei dem Versuch, online einzuchecken, erfahren, dass ihr Flug annulliert worden sei.
14 Mit Urteil vom 29. Juli 2020 wies das Amtsgericht Geldern (Deutschland) die Klage der Kläger mit der Begründung ab, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen seiner Informationspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Verordnung Nr. 261/2004 in hinreichendem Maße nachgekommen sei, als es die Information über die Annullierung des Fluges an die bei der Buchung angegebene E‑Mail‑Adresse übermittelt habe.
15 Da die Kläger des Ausgangsverfahrens gegen das genannte Urteil beim Landgericht Kleve (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Berufung eingelegt haben, möchte dieses Gericht wissen, ob das ausführende Luftfahrtunternehmen in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens der ihm nach der Verordnung Nr. 261/2004 obliegenden Unterrichtungspflicht nachgekommen ist. Insbesondere möchte dieses Gericht wissen, ob es für die Erfüllung der in Art. 5 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Voraussetzungen darauf ankommt, ob dem Luftfahrtunternehmen die Einschaltung eines Vermittlers bekannt war, oder ob diese Bestimmung gleichsam eine Gefährdungshaftung des Luftfahrtunternehmens vorsieht.
16 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Kleve beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen den Ausgleich im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, auch dann zu zahlen hat, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig vor Ablauf von zwei Wochen an die einzige ihm im Rahmen der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass die Buchung über einen Vermittler bzw. dessen Internetplattform vorgenommen worden ist und über die von der Buchungsplattform mitgeteilte E‑Mail‑Adresse allenfalls der Vermittler und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte?
Zur Vorlagefrage
17 Gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs kann der Gerichtshof, wenn die Antwort auf eine zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage klar aus der Rechtsprechung abgeleitet werden kann oder wenn die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt, auf Vorschlag des Berichterstatters und nach Anhörung des Generalanwalts jederzeit durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden.
18 Diese Bestimmung ist in der vorliegenden Rechtssache anzuwenden.
19 Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat.
20 Nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 wird bei Annullierung eines Fluges den betroffenen Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Art. 7 der Verordnung eingeräumt, es sei denn, sie werden in der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c vorgesehenen Weise über die Annullierung unterrichtet.
21 Nach Art. 5 Abs. 4 der Verordnung Nr. 261/2004 trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des betreffenden Fluges unterrichtet wurde.
22 Wie sich aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vornehmen, wenn es nicht nachweisen kann, dass der betreffende Fluggast mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit über die Annullierung seines Fluges unterrichtet wurde (Urteil vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 51).
23 Hierzu hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass eine solche Auslegung nicht nur dann gilt, wenn der Beförderungsvertrag unmittelbar zwischen dem betreffenden Fluggast und dem Luftfahrtunternehmen geschlossen wurde, sondern auch dann, wenn er über einen Dritten – wie im Ausgangsverfahren über eine Online-Buchungsplattform – geschlossen wurde (Urteile vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 26, und vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 52).
24 Wie sich nämlich sowohl aus Art. 3 Abs. 5 der Verordnung Nr. 261/2004 als auch aus ihren Erwägungsgründen 7 und 12 ergibt, wird der den Fluggästen zu leistende Ausgleich für Verstöße gegen die Verpflichtungen aus der Verordnung, zu denen u. a. die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c vorgesehene Unterrichtungspflicht gehört, allein vom ausführenden Luftfahrtunternehmen, das einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt, geschuldet (Urteile vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 27, und vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 53).
25 Allein diese Auslegung kann dem im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 angesprochenen Ziel der Sicherstellung eines hohen Schutzniveaus für Fluggäste genügen, indem gewährleistet wird, dass der Fluggast, dessen letztlich annullierter Flug über einen Dritten gebucht wurde, den Schuldner des in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichs identifizieren kann (Urteil vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 28).
26 Diese Auslegung kann nicht dadurch in Frage gestellt werden, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht wusste, dass es beim Versand der Information über die Annullierung des betreffenden Fluges nicht unmittelbar mit dem Fluggast kommunizierte. Entscheidend ist nämlich, dass der Fluggast nicht rechtzeitig über die Annullierung seines Fluges informiert wurde. Wie in den Rn. 24 und 25 des vorliegenden Beschlusses ausgeführt, wird in einem solchen Fall der wegen eines Verstoßes gegen die Informationspflicht zu leistende Ausgleich allein von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen geschuldet.
27 Nur in dem Fall, dass der Fluggast den Vermittler ausdrücklich ermächtigt, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen, und diese Ermächtigung dem Luftfahrtunternehmen bekannt ist, kann angenommen werden, dass die in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Voraussetzungen erfüllt sind, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen die Information über die Änderungen eines Fluges an den Vermittler sendet, ohne dass dieser Vermittler sie anschließend an den Fluggast weiterleitet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 44). Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass es im Ausgangsverfahren an solch einer Ermächtigung fehlt.
28 Allerdings ist festzustellen, dass die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Verordnung Nr. 261/2004 durch das ausführende Luftfahrtunternehmen dessen Recht unberührt lässt, nach geltendem Recht bei anderen Personen, auf die der Verstoß des Luftfahrtunternehmens gegen seine Verpflichtungen zurückzuführen ist, auch Dritten, gemäß Art. 13 der Verordnung Regress zu nehmen (Urteile vom 11. Mai 2017, Krijgsman, C‑302/16, EU:C:2017:359, Rn. 29, und vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 54).
29 Aus der ausdrücklichen Erwähnung von Dritten in Art. 13 der Verordnung Nr. 261/2004 folgt, dass diese Verordnung das Recht des ausführenden Luftfahrtunternehmens, Regress zu nehmen, nicht davon abhängig macht, dass zwischen ihm und dem Vermittler, bei dem der Fluggast seinen Flug gebucht hat, ein Vertrag besteht (Urteil vom 21. Dezember 2021, Airhelp, C‑263/20, EU:C:2021:1039, Rn. 55).
30 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat.
Kosten
31 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Achte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
sind dahin auszulegen, dass
das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat.
Unterschriften
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