Keine internationale Zuständigkeit aus Erfüllungsgesichtspunkten am Ort der Zwischenlandung.
Leitsatz der Kanzlei Woicke
In der Rechtssache C‑20/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. November 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Januar 2021, in dem Verfahren
JW,
HD,
XS
gegen
LOT Polish Airlines
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten S. Rodin, des Richters J.‑C. Bonichot und der Richterin O. Spineanu-Matei (Berichterstatterin),
Generalanwältin: L. Medina,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von XS, HD und JW, vertreten durch Rechtsanwalt Jan‑César Woicke,
– von LOT Polish Airlines, vertreten durch Rechtsanwältin C. Hess,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Heller und S. Noë als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2012, L 351, S. 1).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen drei Fluggästen, JW, HD und XS, und der Fluggesellschaft LOT Polish Airlines über Ausgleichszahlungen wegen einer Flugverspätung.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 1215/2012
3 In den Erwägungsgründen 15 und 16 der Verordnung Nr. 1215/2012 heißt es:
„(15) Die Zuständigkeitsvorschriften sollten in hohem Maße vorhersehbar sein und sich grundsätzlich nach dem Wohnsitz des Beklagten richten. Diese Zuständigkeit sollte stets gegeben sein außer in einigen genau festgelegten Fällen, in denen aufgrund des Streitgegenstands oder der Vertragsfreiheit der Parteien ein anderes Anknüpfungskriterium gerechtfertigt ist. Der Sitz juristischer Personen muss in der Verordnung selbst definiert sein, um die Transparenz der gemeinsamen Vorschriften zu stärken und Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
(16) Der Gerichtsstand des Wohnsitzes des Beklagten sollte durch alternative Gerichtsstände ergänzt werden, die entweder aufgrund der engen Verbindung zwischen Gericht und Rechtsstreit oder im Interesse einer geordneten Rechtspflege zuzulassen sind. Das Erfordernis der engen Verbindung soll Rechtssicherheit schaffen und verhindern, dass die Gegenpartei vor einem Gericht eines Mitgliedstaats verklagt werden kann, mit dem sie vernünftigerweise nicht rechnen konnte. …“
4 Art. 4 Abs. 1 in Kapitel II Abschnitt 1 („Allgemeine Bestimmungen“) dieser Verordnung lautet:
„Vorbehaltlich der Vorschriften dieser Verordnung sind Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedstaats zu verklagen.“
5 Art. 7 in Kapitel II Abschnitt 2 („Besondere Zuständigkeiten“) der Verordnung bestimmt:
„Eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, kann in einem anderen Mitgliedstaat verklagt werden:
- a) wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre;
b) im Sinne dieser Vorschrift – und sofern nichts anderes vereinbart worden ist – ist der Erfüllungsort der Verpflichtung
– für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen;
– für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen;
…
…“
Verordnung (EG) Nr. 261/2004
6 Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs[‑] und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1) bestimmt:
„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,
b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.
Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
7 Die Kläger des Ausgangsverfahrens tätigten bei der Luftfahrtgesellschaft Lufthansa AG eine einheitliche Buchung für einen Flug, der sie am 27. April 2019 von Warschau (Polen) über Frankfurt am Main (Deutschland) nach Male (Malediven) bringen sollte.
8 Der erste Teilflug, von Warschau nach Frankfurt am Main, wurde von LOT Polish Airlines durchgeführt. Weil der Abflug sich verzögerte, landeten die Kläger des Ausgangsverfahrens in Frankfurt am Main mit Verspätung und verpassten ihren von Lufthansa durchgeführten Anschlussflug nach Male. Ihr Endziel Male erreichten sie mit einer Verspätung von mehr als vier Stunden.
9 Auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 beantragten die Kläger des Ausgangsverfahrens beim Amtsgericht Frankfurt am Main (Deutschland), LOT Polish Airlines zu einer Ausgleichszahlung von 600 Euro – die Entfernung zwischen Warschau und Male beträgt mehr als 3 500 km – an jeden von ihnen und zur Erstattung ihrer Anwaltskosten zu verurteilen.
10 Mit Urteil vom 29. April 2020 wies das Amtsgericht Frankfurt am Main die Klage als unzulässig ab mit der Begründung, es sei für den Rechtsstreit nach den Vorschriften der Verordnung Nr. 1215/2012 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof nicht zuständig, da weder der Abflug- noch der Ankunftsort des Fluges, die im betreffenden Beförderungsvertrag vorgesehen seien, im Gerichtsbezirk Frankfurt lägen.
11 Gegen dieses Urteil legten die Kläger des Ausgangsverfahrens beim vorlegenden Gericht, dem Landgericht Frankfurt am Main (Deutschland), Berufung ein. Sie sind der Ansicht, das erstinstanzliche Gericht sei nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 international zuständig. Dass Warschau und Male Erfüllungsorte der Verpflichtung aus dem Beförderungsvertrag seien, schließe nicht aus, dass es andere Orte geben könne, die ebenfalls als Erfüllungsorte dieser Verpflichtung im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden könnten.
12 Das vorlegende Gericht sieht die internationale Zuständigkeit des Amtsgerichts Frankfurt am Main für den bei ihm anhängigen Rechtsstreit nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 nur dann begründet, wenn der Ankunftsort des ersten Teilflugs, Frankfurt am Main, als „Erfüllungsort“ der Verpflichtung aus dem Beförderungsvertrag eingestuft werden könne.
13 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Frankfurt am Main das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist Art. 7 Nr. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin gehend auszulegen, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehrere Teilflüge unterteilt ist, der Erfüllungsort im Sinne dieser Vorschrift auch der Ankunftsort des ersten Teilflugs sein kann, wenn die Beförderung auf diesen Teilflügen von zwei verschiedenen Luftunternehmen durchgeführt wird und die auf Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlungen durch die Verspätung des ersten Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen des ersten Teilflugs richtet?
Zur Vorlagefrage
14 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der Ankunftsort des ersten Teilflugs als „Erfüllungsort“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn eine auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung durch eine wegen verzögerten Abflugs eingetretene Verspätung dieses Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das mit dessen Durchführung beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet.
15 Vorab ist klarzustellen, dass die Klage des Ausgangsverfahrens unter den Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 fällt. Zur Auslegung von Art. 5 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. 2001, L 12, S. 1), die auf die entsprechenden Bestimmungen von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 übertragen werden kann, hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass der Begriff „Ansprüche aus einem Vertrag“ auch eine von Fluggästen auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung wegen einer großen Verspätung bei einer aus mehreren Teilstrecken bestehenden Flugreise umfasst, die sich gegen ein ausführendes Luftfahrtunternehmen richtet, das nicht Vertragspartner des betroffenen Fluggasts ist (Urteil vom 7. März 2018, flightright u. a., C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 65), was bei LOT Polish Airlines hier der Fall ist.
16 Nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 1215/2012 kann, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat, in einem anderen Mitgliedstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre. Nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich dieser Verordnung ist, sofern nichts anderes vereinbart worden ist, für die Erbringung von Dienstleistungen Erfüllungsort der Verpflichtung im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. a der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem die Dienstleistungen nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen.
17 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist unter dem „Erfüllungsort“, wenn Dienstleistungen an mehreren Orten in verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht werden, grundsätzlich der Ort zu verstehen, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem betreffenden Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, wobei dies im Allgemeinen der Ort der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung sein wird. Dieser Ort ist nach Möglichkeit aus den Bestimmungen des Vertrags selbst abzuleiten (Urteil vom 7. März 2018, flightright u. a., C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
18 In Bezug auf einen Direktflug zwischen zwei Mitgliedstaaten, der von der Fluggesellschaft durchgeführt wird, die Vertragspartnerin des betreffenden Fluggasts ist, hat der Gerichtshof entschieden, dass der Abflug- und der Ankunftsort des Flugzeugs gleichermaßen als die Orte anzusehen sind, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand eines Luftbeförderungsvertrags sind, hauptsächlich erbracht werden, so dass für eine auf diesen Beförderungsvertrag und die Verordnung Nr. 261/2004 gestützte Klage auf Ausgleichszahlungen nach Wahl des Klägers das Gericht des Abflug- oder das des Ankunftsorts des Flugzeugs entsprechend der Vereinbarung dieser Orte in dem Vertrag nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder, C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 43 und 47).
19 In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof entschieden, dass bei einem Flug mit Anschlussflügen, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in mehrere Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von zwei verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der „Erfüllungsort“ im Sinne dieser Vorschrift sowohl der Abflugort des ersten Teilflugs (Beschluss vom 13. Februar 2020, flightright, C‑606/19, EU:C:2020:101, Rn. 36) als auch der Ankunftsort des letzten Teilflugs (Urteil vom 7. März 2018, flightright u. a., C‑274/16, C‑447/16 und C‑448/16, EU:C:2018:160, Rn. 73) sein kann, und zwar unabhängig davon, ob die auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlungen gegen das mit der Durchführung des betreffenden Teilflugs beauftragte Luftfahrtunternehmen oder gegen den Vertragspartner des betreffenden Fluggasts, der nicht dieses Luftfahrtunternehmen ist, erhoben wird.
20 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Klage auf Ausgleichszahlungen nur wegen des verzögerten Abflugs vom Abflugort des ersten Teils des Fluges, auf den sich der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Luftbeförderungsvertrag bezieht, erhoben wurde. Dieser Ort ist einer der Orte, an denen die vertragsgegenständlichen Dienstleistungen hauptsächlich erbracht wurden, womit die nach den besonderen Zuständigkeitsregeln in Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 geforderte enge Verknüpfung zwischen dem Vertrag und dem Gericht, in dessen Bezirk dieser Ort liegt, gegeben ist.
21 Das vorlegende Gericht möchte jedoch wissen, ob seine Zuständigkeit nach Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 durch den Ankunftsort dieses ersten Teilflugs begründet sein könnte.
22 Wie in Rn. 17 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist, wenn Dienstleistungen an mehreren Orten in verschiedenen Mitgliedstaaten erbracht werden, der Ort, an dem die engste Verknüpfung zwischen dem betreffenden Vertrag und dem zuständigen Gericht besteht, insbesondere derjenige Ort, an dem nach dem Vertrag die Dienstleistungen hauptsächlich zu erbringen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juli 2009, Rehder, C‑204/08, EU:C:2009:439, Rn. 38).
23 Aus dieser Rechtsprechung und speziell aus der Verwendung des Begriffs „insbesondere“ geht hervor, dass die Orte der hauptsächlichen Dienstleistungserbringung – also der erste Abflugort und das Endziel eines Fluges – nur beispielhaft veranschaulichen, zu welchen Orten eine solche Verknüpfung bestehen könnte. Es ist nämlich nicht von vornherein auszuschließen, dass aufgrund der spezifischen Klauseln eines Luftbeförderungsvertrags andere Leistungen als die am ersten Abflugort und am Endziel eines Fluges erbrachten für eine auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung gegebenenfalls die Zuständigkeit anderer Gerichte als derjenigen, in deren Bezirken diese Orte liegen, begründen könnten, und zwar der Gerichte am Ort der Zwischenlandung.
24 Im vorliegenden Fall führt das vorlegende Gericht nicht an, welche Elemente des Vertrags im Hinblick auf eine sachgerechte Gestaltung des Verfahrens eine hinreichend enge Verbindung zwischen dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und seiner Zuständigkeit begründen könnten. Ohne solche Angaben kann „Erfüllungsort“ im Sinne von Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 daher der Abflugort des ersten Teilflugs sein, da dieser einer der Orte ist, an denen die Dienstleistungen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Luftbeförderungsvertrags sind, hauptsächlich erbracht werden.
25 Dieses Ergebnis steht im Einklang mit den im 16. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1215/2012 genannten Zielen der Nähe und der geordneten Rechtspflege. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass bei einem Flug mit Anschlussflügen, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet ist und mehrere Teilflüge umfasst, der Abflugort des ersten Teilflugs die nach den besonderen Zuständigkeitsregeln des Art. 7 Nr. 1 der Verordnung Nr. 1215/2012 vorgegebene enge Verknüpfung zwischen dem Luftbeförderungsvertrag und dem zuständigen Gericht gewährleistet (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 13. Februar 2020, flightright, C‑606/19, EU:C:2020:101, Rn. 31).
26 Das Ergebnis steht auch im Einklang mit dem in der Verordnung Nr. 1215/2012 aufgestellten Grundsatz der Vorhersehbarkeit der Zuständigkeitsvorschriften, denn es ermöglicht sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten, die Gerichte des im Luftbeförderungsvertrag genannten Abflugorts des ersten Teilflugs als die Gerichte zu ermitteln, die mit einer Klage auf Ausgleichszahlung nach der Verordnung Nr. 261/2004 befasst werden können.
27 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1215/2012 dahin auszulegen ist, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der Ankunftsort des ersten Teilflugs nicht als „Erfüllungsort“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn eine auf der Grundlage der Verordnung Nr. 261/2004 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung allein durch eine wegen verzögerten Abflugs eingetretene Verspätung dieses Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das mit dessen Durchführung beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet.
Kosten
28 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 7 Nr. 1 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen ist dahin auszulegen, dass bei einem Flug, der durch eine bestätigte einheitliche Buchung für die gesamte Reise gekennzeichnet und in zwei oder mehr Teilflüge unterteilt ist, auf denen die Beförderung von verschiedenen Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, der Ankunftsort des ersten Teilflugs nicht als „Erfüllungsort“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn eine auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs[‑] und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 erhobene Klage auf Ausgleichszahlung allein durch eine wegen verzögerten Abflugs eingetretene Verspätung dieses Teilflugs veranlasst wurde und sich gegen das mit dessen Durchführung beauftragte Luftfahrtunternehmen richtet.
Unterschriften
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