EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Flughäfen, die dieselbe Stadt bedienen, müssten nicht in derselben Stadt/Region liegen. Kein Ausgleich, wenn Flug abweichend auf Airport endet, der dieselbe Region bedient, wohl aber, wenn Zeitverlust am planmäßigen Endziel mind. drei Stunden. Kosten für Weitertransport muss Airline anbieten, aber keine Ausgleichspflicht, weil Angebot ausbleibt. Außergewöhnliche Umstände auf Vorflügen derselben Maschine können Ausgleichspflicht entfallen lassen.

Leitsätze der Kanzlei Woicke

In der Rechtssache C‑826/19

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landesgericht Korneuburg (Österreich) mit Entscheidung vom 29. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 13. November 2019, in dem Verfahren

WZ

gegen

Austrian Airlines AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Vilaras, der Richter N. Piçarra, D. Šváby (Berichterstatter) und S. Rodin sowie der Richterin K. Jürimäe,

Generalanwalt: P. Pikamäe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– von WZ, vertreten durch Rechtsanwältin F. Puschkarski,

– der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, G. Kunnert und J. Schmoll als Bevollmächtigte,

– der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, R. Pethke und N. Yerrell als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 3. Dezember 2020

folgendes

Urteil

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 5 bis 9 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 (ABl. 2004, L 46, S. 1).

2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen WZ und der Austrian Airlines AG wegen einer Klage auf Entschädigung für die Unannehmlichkeiten, die sich aus der Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen ergeben, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber im selben geografischen Gebiet liegt.

Rechtlicher Rahmen

3 In den Erwägungsgründen 1 bis 4, 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 heißt es:

„(1) Die Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich des Luftverkehrs sollten unter anderem darauf abzielen, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen. Ferner sollte den Erfordernissen des Verbraucherschutzes im Allgemeinen in vollem Umfang Rechnung getragen werden.

(2) Nichtbeförderung und Annullierung oder eine große Verspätung von Flügen sind für die Fluggäste ein Ärgernis und verursachen ihnen große Unannehmlichkeiten.

(3) Durch die Verordnung (EWG) Nr. 295/91 des Rates vom 4. Februar 1991 über eine gemeinsame Regelung für ein System von Ausgleichsleistungen bei Nichtbeförderung im Linienflugverkehr [(ABl. 1991, L 36, S. 5)] wurde zwar ein grundlegender Schutz für die Fluggäste geschaffen, die Zahl der gegen ihren Willen nicht beförderten Fluggäste ist aber immer noch zu hoch; dasselbe gilt für nicht angekündigte Annullierungen und große Verspätungen.

(4) Die Gemeinschaft sollte deshalb die mit der genannten Verordnung festgelegten Schutzstandards erhöhen, um die Fluggastrechte zu stärken und um sicherzustellen, dass die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in einem liberalisierten Markt harmonisierten Bedingungen unterliegt.

(14) Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(15) Vom Vorliegen außergewöhnlicher Umstände sollte ausgegangen werden, wenn eine Entscheidung des Flugverkehrsmanagements zu einem einzelnen Flugzeug an einem bestimmten Tag zur Folge hat, dass es bei einem oder mehreren Flügen des betreffenden Flugzeugs zu einer großen Verspätung, einer Verspätung bis zum nächsten Tag oder zu einer Annullierung kommt, obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern.“

4 Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung bestimmt:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

h) ,Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

l) ‚Annullierung‘ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.“

5 Art. 4 („Nichtbeförderung“) Abs. 3 der Verordnung sieht vor:

„Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9.“

6 Art. 5 („Annullierung“) dieser Verordnung bestimmt in seinen Abs. 1 und 3:

„(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,

b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.“

7 Art. 6 („Verspätung) der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug

a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder

b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km um drei Stunden oder mehr oder

c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr

gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen

i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,

ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und,

iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) angeboten.

(2) Auf jeden Fall müssen die Unterstützungsleistungen innerhalb der vorstehend für die jeweilige Entfernungskategorie vorgesehenen Fristen angeboten werden.“

8 Art. 7 („Ausgleichsanspruch“) dieser Verordnung bestimmt in seinen Abs. 1 und 2:

„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger,

b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 km und 3 500 km,

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit

a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1 500 km oder weniger nicht später als zwei Stunden oder

b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1 500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1 500 und 3 500 km nicht später als drei Stunden oder

c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden

nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.“

9 Art. 8 („Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung“) der Verordnung sieht vor:

„(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit

– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,

b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.“

10 Art. 9 („Anspruch auf Betreuungsleistungen“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 bestimmt:

„Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so sind Fluggästen folgende Leistungen unentgeltlich anzubieten:

c) Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung (Hotel oder Sonstiges).“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11 WZ nahm bei Austrian Airlines eine Gesamtbuchung für eine Reise vor, die aus zwei Flügen am 21. Mai 2018 bestand, wobei der erste Flug von Klagenfurt (Österreich) nach Wien (Österreich) – planmäßiger Abflug um 18:35 Uhr und planmäßige Ankunft um 19:20 Uhr – und der zweite von Wien nach Berlin (Deutschland) – planmäßiger Abflug um 21:00 Uhr und planmäßige Ankunft am Flughafen Berlin Tegel um 22:20 Uhr – erfolgen sollte.

12 Da die Wetterverhältnisse bei der Vorvorvorrotation des für den Flug von Wien nach Berlin eingesetzten Flugzeugs zu einer Verspätung führten, die sich auf die weiteren mit diesem Flugzeug durchgeführten Flüge auswirkte, startete der von WZ gebuchte Flug vom Flughafen Wien um 22:07 Uhr und wurde – da das geltende Nachtflugverbot keine Landung auf dem Flughafen Berlin Tegel zuließ – zum Flughafen Berlin Schönefeld, der im Bundesland Brandenburg (Deutschland) in der Nähe des Bundeslandes Berlin (Deutschland) liegt, umgeleitet, wo er um 23:18 Uhr landete.

13 WZ erhob beim Bezirksgericht Schwechat (Österreich) Klage auf Verurteilung von Austrian Airlines zur Zahlung von 250 Euro als Ausgleichsleistung nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004. Dabei stützte er sich einerseits auf die verspätete Ankunft des Fluges (23:18 Uhr statt 22:20 Uhr) und andererseits darauf, dass Austrian Airlines ihm keinen Weitertransport vom Flughafen Berlin Schönefeld zum Flughafen Berlin Tegel angeboten habe. Nach Ansicht von WZ ist Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung auf seinen Fall nicht anwendbar, da der Flughafen Berlin Schönefeld nicht im Land Berlin liege.

14 Demgegenüber beantragte Austrian Airlines die Abweisung der Klage, wobei sie Folgendes geltend machte. Erstens sei WZ mit einer Verspätung von lediglich 58 Minuten an sein Endziel gelangt. Zweitens habe WZ seine Wohnung, die 24 km vom Flughafen Berlin Schönefeld entfernt sei, problemlos unter Inanspruchnahme eines weiteren Verkehrsmittels erreichen können. Drittens sei die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 zurückzuführen, nämlich auf gravierende Wetterprobleme bei der Vorvorvorrotation des Flugzeugs.

15 Mit Urteil vom 24. Juni 2019 wies das Bezirksgericht Schwechat die Klage mit der Begründung ab, dass zum einen die Umleitung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fluges keine wesentliche Änderung der Flugroute sei, so dass dieser als verspätet – und nicht als annulliert – anzusehen sei, und dass zum anderen die Verspätung nicht drei Stunden oder mehr erreicht habe.

16 Gegen dieses Urteil erhob WZ Berufung beim Landesgericht Korneuburg (Österreich).

17 Dieses Gericht fragt sich erstens, ob der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Sachverhalt als Annullierung, als Flugverspätung oder als eigener Tatbestand zu werten ist, zweitens, ob sich Austrian Airlines auf außergewöhnliche Umstände im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 berufen kann, und drittens, ob dieses Luftfahrtunternehmen wegen Verletzung der ihm obliegenden Unterstützungs- und Betreuungspflichten schadenersatzpflichtig ist.

18 Unter diesen Umständen hat das Landesgericht Korneuburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

  1. Ist Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass er auf zwei Flughäfen anzuwenden ist, die sich beide in unmittelbarer Nähe eines Stadtzentrums befinden, jedoch nur einer im Stadtgebiet, der andere im benachbarten Bundesland?
  2. Sind Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass im Fall einer Landung an einem anderen Zielflughafen desselben Ortes, derselben Stadt oder derselben Region ein Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen Annullierung des Fluges zusteht?
  3. Sind Art. 6 Abs. 1, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass im Fall einer Landung auf einem anderen Flughafen desselben Ortes, derselben Stadt oder derselben Region ein Anspruch auf Ausgleichsleistung wegen großer Verspätung zusteht?
  4. Sind Art. 5, Art. 7 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass zur Ermittlung, ob ein Fluggast einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr im Sinne des Urteils vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716), erlitten hat, die Verspätung derart zu berechnen ist, dass es auf den Zeitpunkt der Landung am anderen Zielflughafen ankommt oder auf den Zeitpunkt der Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort?
  5. Ist Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass sich das Luftfahrtunternehmen, das Flüge im Flugumlaufverfahren durchführt, auf ein Vorkommnis stützen kann, in concreto auf eine gewitterbedingte Reduzierung einer Anflugrate, das auf der Vorvorvorrotation des betroffenen Fluges eingetreten ist?
  6. Ist Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass das Luftfahrtunternehmen im Fall der Landung auf einem anderen Zielflughafen die Beförderung an einen anderen Ort von sich aus anbieten muss oder dass der Fluggast die Beförderung begehren muss?
  7. Sind Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 3 und Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass dem Fluggast wegen der Verletzung der in den Art. 8 und 9 normierten Unterstützungs- und Betreuungspflichten ein Anspruch auf Ausgleichsleistung zusteht? Zu den Vorlagefragen Zur ersten Frage

19 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass bei der Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen, der dieselbe Stadt wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, die in dieser Bestimmung vorgesehene Übernahme der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem einen zu dem anderen Flughafen an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der erste Flughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region wie der zweite Flughafen liegt.

20 Insoweit sieht Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 zwar vor, dass die Übernahme der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem tatsächlichen Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, zwischen dem ausführenden Luftfahrtunternehmen und dem Fluggast vereinbarten Zielort zum Tragen kommt, wenn „sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen [befinden]“, jedoch wird weder in dieser Bestimmung selbst noch in Art. 2 der Verordnung, in der einige in der Verordnung verwendete Begriffe definiert werden, oder einer anderen Bestimmung dieser Verordnung klargestellt, was unter dieser Wendung zu verstehen ist.

21 Außerdem sind die Begriffe dieser Wendung, da Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 hierfür nicht auf das nationale Recht verweist, autonom auszulegen, also so, dass sie in der Europäischen Union einheitlich angewandt werden (vgl. entsprechend Urteil vom 4. September 2014, Germanwings, C‑452/13, EU:C:2014:2141, Rn. 16 und 17).

22 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Bedeutung und Tragweite von Begriffen, die das Unionsrecht nicht definiert, entsprechend ihrem Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch und unter Berücksichtigung des Zusammenhangs, in dem sie verwendet werden, und der mit der Regelung, zu der sie gehören, verfolgten Ziele zu bestimmen sind (Urteil vom 22. Dezember 2008, Wallentin-Hermann, C‑549/07, EU:C:2008:771, Rn. 17).

23 Was den Sinn der Begriffe „Ort, Stadt oder Region“ nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch anbelangt, so bezeichnen diese Begriffe zwar für sich genommen Gebiete, deren Umfang sich aus Grenzen ergibt, die durch Normen des Verfassungs‑, Gesetzes- oder Verordnungsrechts des Staates, zu dem diese Gebiete gehören, festgelegt sind, jedoch sind diese Begriffe, die in Form einer Aufzählung zusammengefasst und durch den Ausdruck „befinden sich … mehrere Flughäfen“ ergänzt werden, in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin zu verstehen, dass sie sich weniger auf eine bestimmte Verwaltungs- oder politische Einheit unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene beziehen, sondern vielmehr auf ein Gebiet, das dadurch gekennzeichnet ist, dass in seiner unmittelbaren Nähe Flughäfen vorhanden sind, die es bedienen können.

24 Daraus folgt, dass es für die Anwendung von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 unerheblich ist, dass der tatsächliche Ankunftsflughafen und der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen in unterschiedlichen Gebietskörperschaften unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene liegen.

25 Diese Auslegung wird durch die mit der Verordnung Nr. 261/2004 verfolgten Ziele bestätigt.

26 Zum einen besteht das Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 ausweislich ihrer Erwägungsgründe 1, 2 und 4 nämlich darin, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste und Verbraucher sicherzustellen, indem ihre Rechte in bestimmten Situationen, die für sie ein Ärgernis sind und ihnen große Unannehmlichkeiten verursachen, gestärkt werden und ihnen standardisiert und sofort Ersatz geleistet wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2016, Mennens, C‑255/15, EU:C:2016:472, Rn. 26).

27 Eine – vom Kläger des Ausgangsverfahrens befürwortete – restriktive Auslegung der Begriffe „Ort, Stadt oder Region“ dahin, dass der tatsächliche Ankunftsflughafen und der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region liegen müssten, wobei diese Begriffe jeweils im Sinne des nationalen Rechts zu verstehen wären, würde aber dem Fluggast, dessen Flug zu einem Ausweichflughafen umgeleitet wird, der sich zwar in der Nähe des in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafens, aber an einem anderen Ort, in einer anderen Stadt oder in einer anderen Region befindet, den in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Anspruch auf Übernahme der Beförderungskosten nehmen und damit das Ziel dieser Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, beeinträchtigen.

28 Zum anderen hat die Verordnung Nr. 261/2004 nach ihrem vierten Erwägungsgrund auch zum Ziel, sicherzustellen, dass die Geschäftstätigkeit von Luftfahrtunternehmen in einem liberalisierten Markt harmonisierten Bedingungen unterliegt. Würde man der in der vorstehenden Randnummer dargestellten restriktiven Auslegung der Begriffe „Ort, Stadt oder Region“ den Vorzug geben, hätte dies zur Folge, dass die Übernahme der Kosten für die Beförderung durch das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art. 8 Abs. 3 dieser Verordnung von den Normen des Verfassungs‑, Gesetzes- oder Verordnungsrechts jedes Mitgliedstaats abhängig gemacht würde.

29 Schließlich würde Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 durch diese restriktive Auslegung der Wendung „[b]efinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen“ die praktische Wirksamkeit genommen. Es wäre nämlich für das ausführende Luftfahrtunternehmen äußerst schwierig, wenn nicht gar unmöglich, dem Fluggast die Umleitung eines Fluges zu einem Ausweichflughafen anzubieten, der zwar außerhalb, aber zugleich in unmittelbarer Nähe des Ortes, der Stadt oder der Region liegt, an dem bzw. in der sich der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen befindet.

30 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass bei der Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen, der dieselbe Stadt wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, die in dieser Bestimmung vorgesehene Übernahme der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem einen zu dem anderen Flughafen nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der erste Flughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region wie der zweite Flughafen liegt.

Zur zweiten und zur dritten Frage

31 Mit seiner zweiten und seiner dritten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass ein Fluggast einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung oder großer Verspätung hat, wenn sein Flug umgeleitet wird und er auf einem Flughafen landet, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient.

32 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich das vorlegende Gericht in der Vorlageentscheidung auch auf Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 bezieht, der den Fall betrifft, dass sich der Abflug erheblich verzögert. Wie sich der Vorlageentscheidung entnehmen lässt, möchte das vorlegende Gericht jedoch eigentlich wissen, ob ein Fluggast einen Ausgleichsanspruch wegen einer Flugannullierung im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung oder einer erheblich, d. h. um mindestens drei Stunden, verspäteten Ankunft im Sinne des Urteils vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716), hat, wenn sein Flug umgeleitet wird und er auf einem Ausweichflughafen landet, der sich in unmittelbarer Nähe des in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafens befindet. Für eine dem vorlegenden Gericht für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits sachdienliche Antwort ist Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 daher nicht relevant.

33 Nach dieser Klarstellung ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Buchst. l der Verordnung unter „Annullierung“ die „Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war“, zu verstehen ist.

34 Hierzu hat der Gerichtshof festgestellt, dass es sich bei einem Flug im Wesentlichen um einen Luftbeförderungsvorgang handelt, der somit in gewisser Weise eine „Einheit“ dieser Beförderung darstellt, die von einem Luftfahrtunternehmen durchgeführt wird, das die entsprechende Flugroute festlegt (Urteil vom 10. Juli 2008, Emirates Airlines, C‑173/07, EU:C:2008:400, Rn. 40). Weiter hat er ausgeführt, dass die Flugroute ein wesentliches Element des Fluges ist, der nach einem von dem Luftfahrtunternehmen im Voraus aufgestellten Flugplan durchgeführt wird (Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 30).

35 Da der Begriff „Flugroute“ also die Strecke bezeichnet, die das Flugzeug vom Ausgangsflughafen zum Bestimmungsflughafen in einer festgelegten Abfolge zurückzulegen hat, reicht es folglich, damit ein Flug als durchgeführt betrachtet werden kann, nicht aus, dass das Flugzeug im Einklang mit der geplanten Flugroute gestartet ist, sondern es muss auch seinen nach dieser Flugroute vorgesehenen Bestimmungsort erreichen (Urteil vom 13. Oktober 2011, Sousa Rodríguez u. a., C‑83/10, EU:C:2011:652, Rn. 28).

36 Somit kann ein Flug nicht als durchgeführt angesehen werden, wenn er zu einem anderen Flughafen als dem ursprünglich vorgesehenen Zielflughafen umgeleitet wurde, so dass dieser Flug grundsätzlich als annullierter Flug im Sinne von Art. 2 Buchst. l der Verordnung Nr. 261/2004 anzusehen ist, der einen Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c in Verbindung mit Art. 7 dieser Verordnung auslösen kann.

37 In dem besonderen Fall, dass der Flughafen, zu dem der Flug umgeleitet wurde, denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, wäre es jedoch weder mit dem Ziel der Verordnung noch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbar, die Umleitung des Fluges mit einer Annullierung des Fluges gleichzusetzen.

38 Zum einen ist nämlich festzustellen, dass die Verordnung Nr. 261/2004 neben ihrem Hauptziel, das – wie in Rn. 26 des vorliegenden Urteils erwähnt worden ist – darin besteht, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste und Verbraucher sicherzustellen, implizit noch nachrangige Ziele verfolgt, wie etwa das Ziel, im Vorfeld die Zahl der Annullierungen von Flügen zu reduzieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Januar 2006, IATA und ELFAA, C‑344/04, EU:C:2006:10, Rn. 83).

39 Diesen Erwägungen ist hinzuzufügen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Verordnung Nr. 261/2004 auch die jeweiligen Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen zum Ausgleich bringen wollte (Urteile vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 67, sowie vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a., C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 39).

40 In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 in Verbindung mit deren Erwägungsgründen 1 bis 4 ein besonderes Ziel verfolgt, das darin besteht, den Ärgernissen und großen Unannehmlichkeiten, die der Fluggast mitunter erleidet, wenn sein Flug annulliert wird, vorzubeugen – und nicht darin, einen Ausgleich für die Folgen dieser Unannehmlichkeiten zu leisten –, indem das ausführende Luftfahrtunternehmen von einer Annullierung abgehalten und ihm ein gewisser Handlungsspielraum eingeräumt wird, damit es dem Fluggast eine anderweitige Beförderung zu seinem Endziel in Form der Umleitung seines Fluges zu einem Ausweichflughafen, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, und die Übernahme der Kosten für die Beförderung von diesem Flughafen zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort anbieten kann.

41 Zum anderen ist nach ständiger Rechtsprechung jeder Unionsrechtsakt im Einklang mit dem gesamten Primärrecht auszulegen, darunter auch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 48).

42 Es verstieße jedoch gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, einen Flug, der zu einem Flughafen umgeleitet wird, der zwar nicht der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene ist, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, mit einem annullierten Flug gleichzusetzen. Eine solche Gleichsetzung würde nämlich, wie der Generalanwalt in den Nrn. 59 und 60 seiner Schlussanträge festgestellt hat, dazu führen, dass dem Fluggast dieses Fluges ein Ausgleichsanspruch nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 zuerkannt würde, und zwar auch dann, wenn der Fluggast nach der an seinen Flug anschließenden Beförderung mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder an einem sonstigen vereinbarten Zielort ankommt, wohingegen ein solcher Ausgleichsanspruch einem Fluggast verwehrt bliebe, dessen Flug mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Flughafen ankommt, obwohl dieser Fluggast ähnliche Unannehmlichkeiten wie der erstgenannte Fluggast erleidet.

43 Dagegen bedeutet es – als Zweites – ein Ärgernis und große Unannehmlichkeiten, wenn der Fluggast eines zu einem Ausweichflughafen, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, umgeleiteten Fluges mit großer Verspätung ankommt, d. h. sein Endziel mit einer Verspätung von mindestens drei Stunden gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit erreicht. In diesem Fall hat der Fluggast grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach der Verordnung Nr. 261/2004, wenn er im Sinne des Urteils vom 19. November 2009, Sturgeon u. a. (C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716), mit einer großen Verspätung von drei Stunden oder mehr ankommt.

44 Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass ein Fluggast keinen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung hat, wenn sein Flug umgeleitet wurde und er auf einem Flughafen landet, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient. Der Fluggast eines zu einem Ausweichflughafen, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, umgeleiteten Fluges hat jedoch grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung, wenn er sein Endziel mindestens drei Stunden nach der vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit erreicht.

Zur vierten Frage

45 Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 5 und 7 sowie Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass für die Ermittlung des Ausmaßes der Ankunftsverspätung, die ein Fluggast erleidet, dessen Flug umgeleitet wurde und der auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, auf den Zeitpunkt der Ankunft am Ausweichflughafen abzustellen ist oder auf den Zeitpunkt der Ankunft an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. gegebenenfalls einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort nach der Anschlussbeförderung.

46 Als Erstes lässt sich dem Wortlaut von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie der Art. 7 und 8 der Verordnung Nr. 261/2004 entnehmen, dass sich diese Bestimmungen auf den Begriff „Endziel“ beziehen, der nach Art. 2 Buchst. h dieser Verordnung den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges bezeichnet.

47 Als Zweites hat der Gerichtshof klargestellt, dass die im Zeitverlust bestehenden Unannehmlichkeiten bei der Ankunft am Endziel eintreten und deshalb das Ausmaß der Verspätung für die Zwecke der in Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Ausgleichszahlung anhand der planmäßigen Ankunftszeit am Endziel beurteilt werden muss (Urteil vom 26. Februar 2013, Folkerts, C‑11/11, EU:C:2013:106, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung), wobei diese Zeit der im Flugplan festgelegten und auf dem Flugschein des betreffenden Fluggastes angegebenen Zeit entspricht (Beschluss vom 1. Oktober 2020, FP Passenger Service, C‑654/19, EU:C:2020:770, Rn. 25).

48 Für die Ermittlung des Ausmaßes der Ankunftsverspätung, die ein Fluggast erleidet, dessen Flug umgeleitet wurde und der auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, ist daher auf den Zeitpunkt abzustellen, an dem der Fluggast nach Beendigung seiner Anschlussbeförderung an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. gegebenenfalls an einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort ankommt.

49 Nach alledem sind die Art. 5 und 7 sowie Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen, dass für die Ermittlung des Ausmaßes der Ankunftsverspätung, die ein Fluggast erleidet, dessen Flug umgeleitet wurde und der auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, an dem der Fluggast – nach Beendigung seiner Anschlussbeförderung – an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. gegebenenfalls einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort tatsächlich ankommt.

Zur fünften Frage

50 Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, um sich von seiner Pflicht zu befreien, Fluggästen bei erheblich verspäteter Ankunft ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten, auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann, der nicht den verspäteten Flug, sondern einen vorangegangenen Flug betroffen hat, den es selbst mit diesem Flugzeug im Rahmen von dessen Vorvorvorrotation durchgeführt hat.

51 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Ausmaß der Ankunftsverspätung, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht mit Sicherheit aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervorgeht. Unter diesen Umständen – und unbeschadet der Ermittlung dieses Ausmaßes durch das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Antwort auf die vierte Frage – ist die fünfte Frage ausgehend von der Prämisse zu beantworten, dass der Flug eine große Verspätung hatte.

52 Es ist darauf hinzuweisen, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 von seiner Pflicht zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste nach Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004 befreien kann, wenn es u. a. nachweisen kann, dass die Annullierung oder große Verspätung des betreffenden Fluges auf „außergewöhnliche Umstände“ zurückgeht.

53 Insoweit ist zum einen festzustellen, dass weder die Erwägungsgründe 14 und 15 der Verordnung Nr. 261/2004 noch deren Art. 5 Abs. 3 die Befugnis der ausführenden Luftfahrtunternehmen, sich auf einen „außergewöhnlichen Umstand“ zu berufen, auf den Fall begrenzen, dass dieser Umstand den verspäteten oder annullierten Flug betroffen hat, unter Ausschluss des Falles, in dem dieser Umstand einen vorangegangenen Flug betroffen hat, der mit demselben Flugzeug durchgeführt wurde (Urteil vom 11. Juni 2020, Transportes Aéreos Portugueses, C‑74/19, EU:C:2020:460, Rn. 51).

54 Zum anderen setzt die Abwägung der Interessen der Fluggäste gegen diejenigen der Luftfahrtunternehmen, die – wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils erwähnt worden ist – für den Erlass der Verordnung Nr. 261/2004 maßgebend war, voraus, den Betriebsmodus der Flugzeuge durch die Luftfahrtunternehmen und insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen, dass dasselbe Flugzeug mehrere aufeinanderfolgende Flüge am selben Tag durchführen kann, was bedeutet, dass sich jeder außergewöhnliche Umstand, der dieses Flugzeug während eines vorangegangenen Fluges betrifft, auf den oder die späteren Flüge dieses Unternehmens auswirkt (Urteil vom 11. Juni 2020, Transportes Aéreos Portugueses, C‑74/19, EU:C:2020:460, Rn. 52).

55 Daher muss es einem ausführenden Luftfahrtunternehmen möglich sein, sich zur Befreiung von seiner Pflicht zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste bei großer Verspätung oder Annullierung eines Fluges auf einen „außergewöhnlichen Umstand“ zu berufen, der einen vorangegangenen Flug betroffen hat, den es selbst mit demselben Flugzeug im Rahmen von dessen Vorvorvorrotation durchgeführt hat (vgl. entsprechend Urteil vom 11. Juni 2020, Transportes Aéreos Portugueses, C‑74/19, EU:C:2020:460, Rn. 53).

56 Gleichwohl setzt unter Berücksichtigung nicht nur des im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 261/2004 genannten Ziels, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, sondern auch des Wortlauts von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung die Berufung auf einen solchen außergewöhnlichen Umstand voraus, dass ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses einen vorangegangenen Flug betreffenden Umstands und der Verspätung oder Annullierung eines späteren Fluges besteht, was das vorlegende Gericht im Hinblick auf den ihm vorliegenden Sachverhalt und insbesondere unter Berücksichtigung des Betriebsmodus des betreffenden Flugzeugs zu beurteilen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Transportes Aéreos Portugueses, C‑74/19, EU:C:2020:460, Rn. 54).

57 Nach alledem ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, um sich von seiner Pflicht zu befreien, Fluggästen bei erheblich verspäteter Ankunft ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten, auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann, der nicht den verspäteten Flug, sondern einen vorangegangenen Flug betroffen hat, den es selbst mit demselben Flugzeug im Rahmen von dessen Vorvorvorrotation durchgeführt hat, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der erheblich verspäteten Ankunft des späteren Fluges besteht, was das vorlegende Gericht insbesondere unter Berücksichtigung des Betriebsmodus des betreffenden Flugzeugs durch das betreffende ausführende Luftfahrtunternehmen zu beurteilen hat.

Zur sechsten Frage

58 Mit seiner sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast im Fall der Umleitung seines Fluges und dessen Landung auf einem Flughafen, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, die Übernahme der Kosten für die Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder gegebenenfalls zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit ihm vereinbarten Zielort von sich aus anbieten muss.

59 Bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem Flughafen an, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, so „trägt“ es nach dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004, „die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort“.

60 Zwar hat der Fluggast nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ausdrücklich einen Anspruch darauf, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung übernimmt, jedoch enthält diese Bestimmung – wie der Generalanwalt in Nr. 63 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – keinen Hinweis darauf, ob das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast die Übernahme der Kosten für die Beförderung von sich aus anbieten muss.

61 Allerdings sind nach ständiger Rechtsprechung die Vorschriften, mit denen den Fluggästen Ansprüche eingeräumt werden, weit auszulegen (Urteil vom 19. November 2009, Sturgeon u. a., C‑402/07 und C‑432/07, EU:C:2009:716, Rn. 45).

62 Außerdem ist im Rahmen dieser Auslegung das in Rn. 26 des vorliegenden Urteils erwähnte Ziel der Verordnung Nr. 261/2004 zu berücksichtigen, nämlich ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.

63 Somit ist Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 im Licht ihrer Erwägungsgründe 1 und 2 dahin auszulegen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen, das dem Fluggast einen Flug zu einem Flughafen angeboten hat, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, die Kosten für die Beförderung des Fluggastes vom Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort von sich aus übernehmen muss.

64 Die Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, kann nämlich zu Unannehmlichkeiten für die betroffenen Fluggäste führen, insbesondere wenn sich die Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen als kostspielig und schwierig zu organisieren herausstellt, etwa weil der Ausweichflughafen als solcher schlechter erschlossen ist als der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen oder weil die fortgeschrittene Uhrzeit zum Landezeitpunkt des umgeleiteten Fluges zur Folge hat, dass nur mehr ein beschränktes Angebot an Verkehrsmitteln für die Beförderung zur Verfügung steht.

65 Im Übrigen bleibt durch diese Auslegung die Abwägung der Interessen der Fluggäste gegen diejenigen der ausführenden Luftfahrtunternehmen gewahrt, die – wie in Rn. 39 des vorliegenden Urteils erwähnt worden ist – für den Erlass der Verordnung Nr. 261/2004 maßgebend war. Denn diese Auslegung stellt sicher, dass der Fluggast nach der Landung am Ausweichflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort befördert wird, und ermöglicht zugleich dem ausführenden Luftfahrtunternehmen, der Pflicht zur Leistung der Ausgleichszahlung nach Art. 7 dieser Verordnung zu entgehen, wenn es dafür sorgt, dass der Fluggast den in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. einen sonstigen nahe gelegenen, mit ihm vereinbarten Zielort erreicht, ohne eine Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit zu erleiden.

66 Nach alledem ist auf die sechste Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast im Fall der Umleitung seines Fluges und dessen Landung auf einem Flughafen, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, die Übernahme der Kosten für die Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder gegebenenfalls zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit ihm vereinbarten Zielort von sich aus anbieten muss.

Zur siebten Frage

67 Mit seiner siebten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass die Verletzung der Unterstützungs- und Betreuungspflichten, die dem ausführenden Luftfahrtunternehmen nach dieser Bestimmung obliegen, einen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung begründen kann.

68 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht in der Vorlageentscheidung auch auf Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 Bezug nimmt, wonach Fluggästen die Beförderung zwischen dem Flughafen und dem Ort der Unterbringung unentgeltlich anzubieten ist, wenn in dieser Verordnung auf diese Bestimmung Bezug genommen wird, d. h., wenn die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 3, Art. 5 Abs. 1 Buchst. b oder Art. 6 Abs. 1 Ziff. ii dieser Verordnung erfüllt sind. Allerdings lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass das vorlegende Gericht eigentlich wissen möchte, ob der Verstoß des ausführenden Luftfahrtunternehmens gegen seine in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Beförderung eines Fluggastes vom Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort einen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung begründen kann.

69 Als Erstes ist darauf hinzuweisen, dass die Fluggäste, wenn ein Luftfahrtunternehmen seine Pflichten aus Art. 8 der Verordnung Nr. 261/2004 verletzt hat, berechtigt sind, einen Ausgleichsanspruch geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 2011, Sousa Rodríguez u. a., C‑83/10, EU:C:2011:652, Rn. 44).

70 Als Zweites kann ein Fluggast als Entschädigung dafür, dass das Luftfahrtunternehmen seiner Betreuungspflicht nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. b und Art. 9 der Verordnung Nr. 261/2004 nicht nachgekommen ist, nur solche Beträge erstattet bekommen, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um den Ausfall der Betreuung des Fluggastes durch das Luftfahrtunternehmen auszugleichen (Urteil vom 31. Januar 2013, McDonagh, C‑12/11, EU:C:2013:43, Rn. 51).

71 Wie der Generalanwalt in Nr. 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, muss also eine betragsmäßige Übereinstimmung zwischen der vom ausführenden Luftfahrtunternehmen geschuldeten Entschädigung und den Kosten, die dem betroffenen Fluggast entstanden sind, bestehen, was die in Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene pauschalierte Entschädigung zwangsläufig ausschließt.

72 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der Verstoß gegen die in Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehene Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Beförderung von dem tatsächlichen Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort einen Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der Beträge begründet, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um das Versäumnis des ausführenden Luftfahrtunternehmens bei der Betreuung des Fluggastes auszugleichen.

73 Nach alledem ist auf die siebte Frage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass der Verstoß des ausführenden Luftfahrtunternehmens gegen seine Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Beförderung eines Fluggastes vom Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort dem Fluggast keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung verleiht. Hingegen begründet dieser Verstoß einen Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Beträge, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um das Versäumnis des Luftfahrtunternehmens auszugleichen.

Kosten

74 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

  1. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass bei der Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen, der dieselbe Stadt wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, die in dieser Bestimmung vorgesehene Übernahme der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem einen zu dem anderen Flughafen nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der erste Flughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region wie der zweite Flughafen liegt.
  2. Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass ein Fluggast keinen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung hat, wenn sein Flug umgeleitet wurde und er auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient. Der Fluggast eines zu einem Ausweichflughafen, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, umgeleiteten Fluges hat jedoch grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung, wenn er sein Endziel mindestens drei Stunden nach der vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit erreicht.
  3. Die Art. 5 und 7 sowie Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass für die Ermittlung des Ausmaßes der Ankunftsverspätung, die ein Fluggast erleidet, dessen Flug umgeleitet wurde und der auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, an dem der Fluggast – nach Beendigung seiner Anschlussbeförderung – an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. gegebenenfalls einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort tatsächlich ankommt.
  4. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, um sich von seiner Pflicht zu befreien, Fluggästen bei erheblich verspäteter Ankunft ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten, auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann, der nicht den verspäteten Flug, sondern einen vorangegangenen Flug betroffen hat, den es selbst mit demselben Flugzeug im Rahmen von dessen Vorvorvorrotation durchgeführt hat, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der erheblich verspäteten Ankunft des späteren Fluges besteht, was das vorlegende Gericht insbesondere unter Berücksichtigung des Betriebsmodus des betreffenden Flugzeugs durch das betreffende ausführende Luftfahrtunternehmen zu beurteilen hat.
  5. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast im Fall der Umleitung seines Fluges und dessen Landung auf einem Flughafen, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, die Übernahme der Kosten für die Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder gegebenenfalls zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit ihm vereinbarten Zielort von sich aus anbieten muss.
  6. Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass der Verstoß des ausführenden Luftfahrtunternehmens gegen seine Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Beförderung eines Fluggastes vom Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort dem Fluggast keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung verleiht. Hingegen begründet dieser Verstoß einen Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Beträge, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um das Versäumnis des Luftfahrtunternehmens auszugleichen.

Unterschriften

Quelle:

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=261%252F2004&docid=240222&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=177026#ctx1