Gesetzestext
(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug
a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder
b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km um drei Stunden oder mehr oder
c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr
gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen
i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,
ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und,
iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) angeboten.
(2) Auf jeden Fall müssen die Unterstützungsleistungen innerhalb der vorstehend für die jeweilige Entfernungskategorie vorgesehenen Fristen angeboten werden.
Kommentierung
Ausgleichsanspruch
Sonderfall: Kein großer Zeitverlust am Endziel durch Buchung eines Ersatzflugs
Nutzt der Fluggast einen Ersatzflug, den er in der zutreffenden Erwartung gebucht hat, sein ursprünglicher Flug werde sich so sehr verspäten, dass er sein Endziel mit einem Zeitverlust von mindestens drei Stunden erreichen würde, hat er keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, sofern er sein Endziel mit weniger als drei Stunden erreicht. Der EuGH begründet dies damit, dass der entscheidende Gesichtspunkt, der den Gerichtshof dazu veranlasst hat, die große Verspätung eines Fluges bei der Ankunft mit der Annullierung eines Fluges gleichzusetzen, darin bestehe, dass die Fluggäste eines Fluges mit großer Verspätung ebenso wie die Fluggäste eines annullierten Fluges einen Schaden erleiden, der in einem irreversiblen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr besteht. Tritt dieser Schaden als Folge der Eigeninitiative nicht ein, bestehe auch kein Grund, den von einer Verspätung betroffenen Fluggast mit dem einer Annullierung hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs gleichzustellen.
"Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
sind dahin auszulegen, dass
ein Fluggast, der wegen drohender großer Verspätung des Fluges, für den er über eine bestätigte Buchung verfügt, bei der Ankunft am Endziel oder wegen hinreichender Anhaltspunkte für eine solche Verspätung selbst einen Ersatzflug gebucht hat und das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit des ersten Fluges erreicht hat, keinen Ausgleichsanspruch im Sinne dieser Bestimmungen haben kann."
EuGH, Urteil v. 25. Januar 2024, C‑54/23
Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs darf keinesfalls dahingehend missverstanden werden, dass auch der von einer Annullierung betroffene Fluggast seinen Ausgleichsanspruch verlöre, sofern er als Folge seiner Eigeninitiative nur einen geringfügigen Zeitverlust erleidet, er also sein Endziel spätestens zwei bzw. vier Stunden nach der veröffentlichten Ankunftszeit erreicht. Abgesehen davon, dass eine solche Wertung der Begründung des EuGH zuwiderliefe, der explizit auf die unterschiedliche Behandlung der beiden Tatbestände verweist, widerspräche sie Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Denn nach dieser Norm braucht sich der Fluggast im Falle der Annullierung seines Fluges nicht zur Abfertigung einzufinden. Entsprechend entsteht sein Ausgleichsanspruch unabhäng davon, wie er sich verhält. Entscheidend für seinen Anspruch ist einzig, ob ihm eine Ersatzbeförderung angeboten wird, die es ihm ermöglicht, sein Endziel mit einem Zeitverlust von höchstens zwei bzw. vier Stunden zu erreichen.