Art. 16 – Verstöße

Gesetzestext

(1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine Stelle, die für die Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Flüge von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen und Flüge von einem Drittland zu diesen Flughäfen zuständig ist. Gegebenenfalls ergreift diese Stelle die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Fluggastrechte gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Stelle gemäß diesem Absatz benannt worden ist.

(2) Unbeschadet des Artikels 12 kann jeder Fluggast bei einer gemäß Absatz 1 benannten Stelle oder einer sonstigen von einem Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats begangen wurde oder einen Flug von einem Drittstaat zu einem Flughafen in diesem Gebiet betrifft.

(3) Die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen diese Verordnung festgelegten Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Kommentierung

Ermächtigung staatlicher Stelle, Airlines zur Ausgleichszahlung zu verpflichten.

Die von jedem Staat zu bennende Stelle, die für die Durchsetung der Verordnung zuständig ist, darf dazu ermächtigt werden, Luftfahrtunternehmen auf Beschwerde eines Fluggastes hin zur Ausgleichszahlung zu verpflichten. Voraussetzung ist aber, dass sowohl der Fluggast als auch das Luftfahrunternehmen die Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen kann.

"Art. 16 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

die Mitgliedstaaten die für die Durchsetzung der Verordnung zuständige nationale Stelle dazu ermächtigen können, ein Luftfahrtunternehmen zu verpflichten, die den Fluggästen nach der Verordnung geschuldeten Ausgleichszahlungen im Sinne von Art. 7 der Verordnung zu leisten, wenn ein Fluggast bei dieser nationalen Stelle eine individuelle Beschwerde erhoben hat, sofern diesem Fluggast und dem genannten Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit eines gerichtlichen Rechtsbehelfs offensteht."

EuGH, Urteil v. 29. September 2022, C‑597/20

Art. 15 – Ausschluss der Rechtsbeschränkung

Gesetzestext

(1) Die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen gemäß dieser Verordnung dürfen - insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag - nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(2) Wird dennoch eine abweichende oder restriktive Bestimmung bei einem Fluggast angewandt oder wird der Fluggast nicht ordnungsgemäß über seine Rechte unterrichtet und hat er aus diesem Grund einer Ausgleichsleistung zugestimmt, die unter der in dieser Verordnung vorgesehenen Leistung liegt, so ist der Fluggast weiterhin berechtigt, die erforderlichen Schritte bei den zuständigen Gerichten oder Stellen zu unternehmen, um eine zusätzliche Ausgleichsleistung zu erhalten.

Kommentierung

Kein Abtretungsverbot durch Klauseln im Beförderungsvertrag

Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die dem Fluggast die Abtretung seiner Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen verbietet, stellt eine ausgeschlossene Rechtsbeschränkung da. Hat der Passagier Ansprüche gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen aus dieser Verordnung, darf er sie an einen Dritten abtreten.

"Art. 15 der Verordnung Nr. 261/2004
ist dahin auszulegen, dass

er der Einbeziehung einer Klausel in einen Beförderungsvertrag entgegensteht, die die Abtretung von Ansprüchen verbietet, die dem Fluggast gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen nach den Bestimmungen dieser Verordnung zustehen."

EuGH, Urteil v. 29. Februar 2024, C-11/23

Art. 14 – Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte

Gesetzestext

(1) Das ausführende Luftfahrtunternehmen stellt sicher, dass bei der Abfertigung ein klar lesbarer Hinweis mit folgendem Wortlaut für die Fluggäste deutlich sichtbar angebracht wird: "Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder um mindestens zwei Stunden verspätet ist, verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen."

(2) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, händigt jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis ausgehändigt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form ausgehändigt.

(3) Bei blinden oder sehbehinderten Personen sind die Bestimmungen dieses Artikels durch den Einsatz geeigneter alternativer Mittel anzuwenden.

Kommentierung

Abs. 2

Umfang / Grenzen

Ausführendes Luftfahrtunternehmen muss von einer Störung betroffene Passagiere wie folgt unterrichten:

  • genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift
  • Unterlagen, die Fluggast Verlangen beifügen soll

Nicht zu unterrichten braucht es über:

  • Genaue Höhe der Ausgleichszahlung
"Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er das ausführende Luftfahrtunternehmen dazu verpflichtet, den Fluggast darüber zu unterrichten, unter welcher genauen Unternehmensbezeichnung und Anschrift er eine Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung verlangen kann und welche Unterlagen er seinem Verlangen gegebenenfalls beifügen soll; das Luftfahrtunternehmen muss den Fluggast jedoch nicht über den genauen Betrag der Ausgleichszahlung unterrichten, die er unter Umständen nach Art. 7 der Verordnung beanspruchen kann."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Art. 8 – Anspruch auf Erstattung oder anderweitige Beförderung

Gesetzestext

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) - der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist, gegebenenfalls in Verbindung mit

- einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,

b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt.

(3) Befinden sich an einem Ort, in einer Stadt oder Region mehrere Flughäfen und bietet ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einem Fluggast einen Flug zu einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen an, so trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen die Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem anderen Flughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort.

Kommentierung

Abs. 1 Buchst. b

Vorverlegung des Flugs kann Angebot anderweitiger Beförderung sein

Wird Fluggast vor Reisebeginn über die Vorverlegung seines Fluges unterrichtet, kann dies das Angebot einer anderweitigen Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt darstellen.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass die vor Reisebeginn an den Fluggast gerichtete Mitteilung über die Vorverlegung des Fluges ein Angebot einer anderweitigen Beförderung im Sinne der letztgenannten Bestimmung darstellen kann."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Repatriierungsflug braucht nicht angeboten zu werden

Bei einem „Repatriierungsflug“, der von einem Mitgliedstaat im Rahmen einer konsularischen Unterstützungsmaßnahme organisiert wird (z.B. bei Unruhen, Krieg, Naturkatastrophen oder einer Pandemie), handelt es sich nicht um einen kommerziellen Flug. Die Pflicht, eine anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen anzubieten, beschränkt sich aber auf kommerzielle Flüge; EuGH, Urteil v. 8. Juni 2023, C‑49/22, Rn. 31. Entsprechend braucht er vom ausführenden Luftfahrtunternehmen im Falle einer Annullierung oder Nichtbeförderung betroffenen Fluggästen auch nicht angeboten zu werden.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
sind dahin auszulegen, dass

ein Repatriierungsflug, der von einem Mitgliedstaat im Zusammenhang mit einer konsularischen Unterstützungsmaßnahme im Anschluss an die Annullierung eines Fluges organisiert wird, keine „anderweitige Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen“ im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung darstellt, die das ausführende Luftfahrtunternehmen einem Fluggast, dessen Flug annulliert wurde, anbieten muss."

EuGH, Urteil v. 8. Juni 2023, C‑49/22

Keine Anspruchsrundlage für Kostenerstattung eines Repatriierungsflugs

Die Verordnung selbst, insbesondere diese Norm, stellt keine Anspruchslage dar, auf deren Grundlage die Kosten für einen sogenannten Retatriierungsflug, der von einem Mitgliedstaat im Rahmen einer konsularischen Unterstützungsmaßnahme organisiert wird (z.B. bei Unruhen, Krieg, Naturkatastrophen oder einer Pandemie), verlangt werden könnten.

"Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004
ist dahin auszulegen, dass

einem Fluggast, der sich im Anschluss an die Annullierung seines Rückflugs selbst für einen von einem Mitgliedstaat im Zusammenhang mit einer konsularischen Unterstützungsmaßnahme organisierten Repatriierungsflug anmeldet und dafür einen verpflichtenden Unkostenbeitrag an diesen Staat leisten muss, gegenüber dem Luftfahrtunternehmen kein Anspruch auf Erstattung dieser Kosten auf der Grundlage dieser Verordnung zusteht."

EuGH, Urteil v. 8. Juni 2023, C‑49/22

Allerdings weist der EuGH in dieser Entscheidung nachdrücklich darauf hin, dass Erstattung nach nationalem Recht im Rahmen dessen verlangt werden kann, was notwendig und angemessen ist, sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen seinen Unterstützungsverpflichtungen aus Abs. 1 nicht nachgekommen ist. Dies betrifft neben der Notwendigkeit, betroffenen Fluggästen im Falle der Annullierung etc. eine anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen anzubieten, auch den Fall, dass ihnen keine (anteilige) Erstattung ihrer ursprünglichen Flugscheinkosten angeboten wird. Mit anderen Worten: Im Falle der Annullierung eines Fluges etc. muss das ausführende Luftfahrtunternehmen betroffenen Passagieren die in Abs. 1 geforderte Unterstützung anbieten, möchte es sich nicht schadensersatzpflichtig machen. Erstzfähiger Schaden können auch die Kosten einen Repatriierungsflugs sein.

"Um von dem ausführenden Luftfahrtunternehmen die Kosten erstattet zu bekommen, kann sich dieser Fluggast vor einem nationalen Gericht aber darauf berufen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen zum einen seiner Verpflichtung zur vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan zwecklos gewordene Reiseabschnitte und zum anderen seiner Unterstützungsverpflichtung nach Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung, einschließlich seiner Verpflichtung, die Fluggäste zu informieren, nicht nachgekommen ist. Dieser Kostenersatz muss jedoch auf das begrenzt sein, was sich unter den Umständen jedes einzelnen Falls als notwendig, angemessen und zumutbar erweist, um das Versäumnis des ausführenden Luftfahrtunternehmens auszugleichen."
EuGH, Urteil v. 8. Juni 2023, C‑49/22

Abs. 1 Buchst. c

Kein zeitlicher Zusammenhang zwischen annulliertem und gewünschtem Ersatzflug

Der Wortlaut der Verordnung enthält keine zeitliche Grenzen, innerhalb derer die anzubietende Ersatzbeförderung zu erfolgen hat. Der EuGH sieht keine Notwendigkeit, eine zeitliche Grenze anzunehmen. In dem zu entscheidende Fall, EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑516/23, beanspruchten Fluggäste einen Ersatzflug mehr als zwei Jahre nach dem ursprünglich gebuchten, annullierten Flug. Maßgeblich sei, dass es verfügbare Plätze auf einem anderen Flug unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt gibt. Gleichzeitig betont der Gerichtshof, die Möglichkeit der Mitgliedsstaten, eine gewisse zeitliche Grenze durch Ausschlussfristen für Klagen schaffen.

"Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

für seine Anwendung das Bestehen eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem annullierten Flug und dem von einem Fluggast gewünschten anderweitigen Flug nicht erforderlich ist. Eine solche anderweitige Beförderung zum Endziel kann, vorbehaltlich verfügbarer Plätze, zu vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt verlangt werden."

EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑516/23

Abs. 3

Definition „an einem Ort, in einer Stadt oder Region“

Die Wendung „an einem Ort, in einer Stadt oder Region“ meint nicht die Verwaltungs- oder die politische Einheit unterhalb der gesamtstaatlichen Ebene. Es ist also für die Übernahmepflicht der Kosten für die Beförderung zum gebuchten Zielflughafen oder einem sonstigen vereinbarten Zielort nicht erforderlich, dass sich der planmäßige und der tatsächliche Zielflughafen im Wortsinne an einem Ort, in einer Stadt oder in einer Region – im Sinne eines gemeinsamen Landkreises – befinden. Gemeint ist vielmehr, dass sich beide Flughäfen in einer solchen räumlichen Nähe zueinander befinden, dass sie dieselbe Stadt bedienen.

"Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass bei der Umleitung eines Fluges zu einem Flughafen, der dieselbe Stadt wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, die in dieser Bestimmung vorgesehene Übernahme der Kosten für die Beförderung des Fluggastes von dem einen zu dem anderen Flughafen nicht an die Voraussetzung geknüpft ist, dass der erste Flughafen am selben Ort, in derselben Stadt oder in derselben Region wie der zweite Flughafen liegt."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Kostentragungspflicht des Luftfahrtunternehmens

Weicht das ausführende Luftfahrtunternehmen auf einen Flughafen aus, der zwar nicht der planmäßige Zielflughafen ist, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, muss es betroffenen Passagieren anbieten, sie an ihren gebuchten Zielflughafen (oder an einen zu vereinbarenden Ort in der Nähe) anschlusszubefördern bzw. die Kosten hierfür zu übernehmen.

"Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast im Fall der Umleitung seines Fluges und dessen Landung auf einem Flughafen, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, die Übernahme der Kosten für die Beförderung zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder gegebenenfalls zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit ihm vereinbarten Zielort von sich aus anbieten muss."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Verstoß gegen Kostentragungspflicht

Bietet das ausführende Luftfahrunternehmen Passagieren, die statt zu ihrem planmäßigen, zu einem nehegelegenen Flughafen befördert werden, keine Anschlussbeförderung an ihren planmäßigen Zielflughafen an, führt dieses Versäumnis nicht automatisch zu einer Ausgleichspflicht gem. Art. 7 Abs. 1, sondern lediglich zu einem Anspruch des Fluggastes nach nationalem Recht auf Erstattung erforderlicher Mehrkosten, die ihm dadurch entstehen, dass er sich diese Beförderung selbst organisiert, indem er sich beispielsweise ein Taxi nimmt.

"Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass der Verstoß des ausführenden Luftfahrtunternehmens gegen seine Pflicht zur Übernahme der Kosten für die Beförderung eines Fluggastes vom Ankunftsflughafen entweder zu dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen oder zu einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem Fluggast vereinbarten Zielort dem Fluggast keinen Anspruch auf eine pauschale Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung verleiht. Hingegen begründet dieser Verstoß einen Anspruch des Fluggastes auf Erstattung der von ihm aufgewendeten Beträge, die sich in Anbetracht der dem jeweiligen Fall eigenen Umstände als notwendig, angemessen und zumutbar erweisen, um das Versäumnis des Luftfahrtunternehmens auszugleichen."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Art. 7 – Ausgleichsanspruch

Gesetzestext

(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:

a) 250 EUR bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger,

b) 400 EUR bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km,

c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

Bei der Ermittlung der Entfernung wird der letzte Zielort zugrunde gelegt, an dem der Fluggast infolge der Nichtbeförderung oder der Annullierung später als zur planmäßigen Ankunftszeit ankommt.

(2) Wird Fluggästen gemäß Artikel 8 eine anderweitige Beförderung zu ihrem Endziel mit einem Alternativflug angeboten, dessen Ankunftszeit

a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger nicht später als zwei Stunden oder

b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 und 3500 km nicht später als drei Stunden oder

c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen nicht später als vier Stunden

nach der planmäßigen Ankunftszeit des ursprünglich gebuchten Fluges liegt, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 um 50 % kürzen.

(3) Die Ausgleichszahlungen nach Absatz 1 erfolgen durch Barzahlung, durch elektronische oder gewöhnliche Überweisung, durch Scheck oder, mit schriftlichem Einverständnis des Fluggasts, in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen.

(4) Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Entfernungen werden nach der Methode der Großkreisentfernung ermittelt.

Kommentierung

Abs. 1/Abs. 2

Bestimmung der Entfernung bei einheitlich gebuchten Flügen mit Umstieg

Bei einheitlich gebuchten Flügen, die aus mindestens zwei Teilflügen bestehen, erfolgt die Bestimmung der Entfernung für diese Norm stets vom Abflugort des ersten Teilflugs aus bis zum Ankunftsort des letzten Teilflugs. Das gilt unabhängig davon, auf welchem Teilflug die Störung (Annullierung, Verspätung, Nichtbeförderung etc.) auftritt. Das gilt auch dann, wenn lediglich der letzte Teilflug betroffen ist.

"Art. 2 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines aus zwei Teilflügen bestehenden einheitlich gebuchten Anschlussflugs ein Fluggast, der am Endziel eine Verspätung von drei Stunden oder mehr hat, die auf die Annullierung des zweiten Teilflugs zurückzuführen ist, der von einem anderen Luftfahrtunternehmen als demjenigen, mit dem dieser Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, hätte durchgeführt werden sollen, seine Schadensersatzklage nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung gegen dieses Luftfahrtunternehmen erheben und von ihm die Leistung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausgleichszahlung verlangen kann, die auf der Grundlage der Gesamtentfernung des Anschlussflugs vom Abflugort des ersten Teilflugs bis zum Ankunftsort des zweiten Teilflugs ermittelt wird."
EuGH, Beschluss v. 22. April 2021, C-592/20

Zu beachten ist, dass keinesfalls die Enternungen der einzelnen Teilflüge zu addieren sind. Vielmehr ist maßgeblich stets die Entfernung vom ersten Flughafen des ersten Teilflugs bis zum zweiten Flughafen des letzten Teilflugs.

Abs. 2

Vorverlegte Flüge

Abs. 2, der dem ausführenden Luftfahrtunternehmen die Möglichkeit gibt, fällige Ausgleichzahlungen lediglich hälftig leisten zu müssen, gilt nicht für vorverlegt Flüge.

"Art. 7 Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass er nicht für einen Fall gilt, in dem die Ankunftszeit eines vorverlegten Fluges innerhalb der in dieser Bestimmung genannten Grenzen liegt."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Der EuGH begründet dies damit, dass es der Zweck der Regelung sei, ausführende Luftfahrtunternehmen zu motivieren, von Annullierungen betroffenen Passagieren eine sehr zeitnahe Alternative anzubieten. Sie soll hingegen nicht dazu führen, dass Flüge systematisch vorverlegt werden, weniger Ausgleich leisten zu müssen.

Abs. 3

Geregelt ist die Art und Weise, wie die Ausgleichszahlung zu erfolgen hat. Wegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. a sowie Art. 10 Abs. 2 aber auch die Erstattung von Flugscheinkosten bei Annullierung, großer Verspätung sowie Downgrade. Demnach steht es im Ermessen des ausführenden Luftfahrtunternehmens, die Leistung durch Barzahlung, Überweisung oder per Scheck zu leisten.

Möchte das ausführende Luftfahrtunternehmen die Leistung in Form von Reisegutscheinen und/oder anderen Dienstleistungen vornehmen, ist dies nur unter der Bedingung zulässig, dass der betroffene Fluggast schriftlich sein Einverständnis erklärt.

Kein handschriftliches Einverständnis erforderlich – Online-Formular reicht aus

Das Erfordernis der Schriftlichkeit bedeutet in diesem Zusammenhang nicht zwingend eine handschriftliche Erklärung. Es reicht daher insbesondere aus, dass der Fluggast auf der Webseite des Luftfahrtunternehmens ein entsprechendes Formular ausfüllt und sich – unter Ausschluss der Barzahlung, der Überweisung oder eines Schecks – für die Leistung durch einen Reisegutschein oder der anderen Dienstleistung entscheidet.

"Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist in Verbindung mit ihrem Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und im Licht ihres 20. Erwägungsgrundes

dahin auszulegen, dass

im Fall der Annullierung eines Fluges durch das ausführende Luftfahrtunternehmen davon auszugehen ist, dass der Fluggast sein „schriftliches Einverständnis“ mit einer Erstattung der Flugscheinkosten in Form eines Reisegutscheins erteilt hat, wenn er auf der Website des Luftfahrtunternehmens ein Online-Formular ausgefüllt und darin diese Erstattungsmodalität unter Ausschluss der Auszahlung eines Geldbetrags gewählt hat".

EuGH, Urteil v. 21. März 2024, C‑76/23

Luftfahrtunternehmen muss Fluggast vorher aufklären

An seine Entscheidung für einen Reisegutschein (oder andere Dienstleistungen) und damit gegen eine Barzahlung, Überweisung oder einen Scheck, ist der Fluggast nur gebunden, wenn er in der Lage war, seine Wahl zweckdienlich und informiert zu treffen. In diese Lage muss das Luftfahrtunternehmen ihn versetzen. Dies setzt eine klare und umfassende, daher insbesondere zutreffende, Information über die verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Erstattungsmodalitäten voraus. Dies dürfte nicht der Fall sein, wenn die Aufklärung in einer Sprache erfolgt, deren Beherrschung vom Fluggast nicht erwaret werden kann oder die Erstattung durch einen Geldbetrag gegenüber der Form des Reisegutscheins zusätzliche Schritte umfasst.

"[Dies setzt voraus, dass der Fluggast] in der Lage war, eine zweckdienliche und informierte Wahl zu treffen und somit der Erstattung seiner Flugscheinkosten in Form eines Reisegutscheins anstelle eines Geldbetrags nach Aufklärung zuzustimmen; dies setzt voraus, dass das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast in lauterer Weise klare und umfassende Informationen über die verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Erstattungsmodalitäten gegeben hat."
EuGH, Urteil v. 21. März 2024, C‑76/23

Anlegen eines Treuekontos

Allein das Anlegen eines Treuekontos auf der Webseite des Luftfahrtunternehmens, auf das ein solcher Reisegutschein übertragen werden kann, soll für eine solche Annahme eines „schriftlichen Einverständnisses“ nicht ausreichen.

"Art. 8 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit Art. 7 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

im Fall der Annullierung eines Fluges durch das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht davon auszugehen ist, dass der Fluggast sein „schriftliches Einverständnis“ mit der Erstattung der Flugscheinkosten in Form von Reisegutscheinen erteilt hat, wenn er auf der Website des Luftfahrtunternehmens ein Treuekonto angelegt hat, auf das diese Gutscheine übertragen werden sollten, ohne sein Einverständnis zu dieser Form der Erstattung durch eine ausdrückliche, endgültige und eindeutige Annahme bestätigt zu haben."

EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑642/23

Art. 6 – Verspätung

Gesetzestext

(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass sich der Abflug

a) bei allen Flügen über eine Entfernung von 1500 km oder weniger um zwei Stunden oder mehr oder

b) bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km um drei Stunden oder mehr oder

c) bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen um vier Stunden oder mehr

gegenüber der planmäßigen Abflugzeit verzögert, so werden den Fluggästen vom ausführenden Luftfahrtunternehmen

i) die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten,

ii) wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit erst am Tag nach der zuvor angekündigten Abflugzeit liegt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und,

iii) wenn die Verspätung mindestens fünf Stunden beträgt, die Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a) angeboten.

(2) Auf jeden Fall müssen die Unterstützungsleistungen innerhalb der vorstehend für die jeweilige Entfernungskategorie vorgesehenen Fristen angeboten werden.

Kommentierung

Ausgleichsanspruch

Sonderfall: Kein großer Zeitverlust am Endziel durch Buchung eines Ersatzflugs

Nutzt der Fluggast einen Ersatzflug, den er in der zutreffenden Erwartung gebucht hat, sein ursprünglicher Flug werde sich so sehr verspäten, dass er sein Endziel mit einem Zeitverlust von mindestens drei Stunden erreichen würde, hat er keinen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung, sofern er sein Endziel mit weniger als drei Stunden erreicht. Der EuGH begründet dies damit, dass der entscheidende Gesichtspunkt, der den Gerichtshof dazu veranlasst hat, die große Verspätung eines Fluges bei der Ankunft mit der Annullierung eines Fluges gleichzusetzen, darin bestehe, dass die Fluggäste eines Fluges mit großer Verspätung ebenso wie die Fluggäste eines annullierten Fluges einen Schaden erleiden, der in einem irreversiblen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr besteht. Tritt dieser Schaden als Folge der Eigeninitiative nicht ein, bestehe auch kein Grund, den von einer Verspätung betroffenen Fluggast mit dem einer Annullierung hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs gleichzustellen.

"Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

sind dahin auszulegen, dass

ein Fluggast, der wegen drohender großer Verspätung des Fluges, für den er über eine bestätigte Buchung verfügt, bei der Ankunft am Endziel oder wegen hinreichender Anhaltspunkte für eine solche Verspätung selbst einen Ersatzflug gebucht hat und das Endziel mit einer Verspätung von weniger als drei Stunden gegenüber der planmäßigen Ankunftszeit des ersten Fluges erreicht hat, keinen Ausgleichsanspruch im Sinne dieser Bestimmungen haben kann."

EuGH, Urteil v. 25. Januar 2024, C‑54/23

Diese Rechtsprechung des Gerichtshofs darf keinesfalls dahingehend missverstanden werden, dass auch der von einer Annullierung betroffene Fluggast seinen Ausgleichsanspruch verlöre, sofern er als Folge seiner Eigeninitiative nur einen geringfügigen Zeitverlust erleidet, er also sein Endziel spätestens zwei bzw. vier Stunden nach der veröffentlichten Ankunftszeit erreicht. Abgesehen davon, dass eine solche Wertung der Begründung des EuGH zuwiderliefe, der explizit auf die unterschiedliche Behandlung der beiden Tatbestände verweist, widerspräche sie Art. 3 Abs. 1 Buchst. a. Denn nach dieser Norm braucht sich der Fluggast im Falle der Annullierung seines Fluges nicht zur Abfertigung einzufinden. Entsprechend entsteht sein Ausgleichsanspruch unabhäng davon, wie er sich verhält. Entscheidend für seinen Anspruch ist einzig, ob ihm eine Ersatzbeförderung angeboten wird, die es ihm ermöglicht, sein Endziel mit einem Zeitverlust von höchstens zwei bzw. vier Stunden zu erreichen.

Art. 5 – Annullierung

Gesetzestext

(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen

a) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 8 angeboten,

b) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstabe a) und Absatz 2 angeboten und im Fall einer anderweitigen Beförderung, wenn die nach vernünftigem Ermessen zu erwartende Abflugzeit des neuen Fluges erst am Tag nach der planmäßigen Abflugzeit des annullierten Fluges liegt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 Absatz 1 Buchstaben b) und c) angeboten und

c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt, es sei denn,

i) sie werden über die Annullierung mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet, oder

ii) sie werden über die Annullierung in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder

iii) sie werden über die Annullierung weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet und erhalten ein Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

(2) Wenn die Fluggäste über die Annullierung unterrichtet werden, erhalten sie Angaben zu einer möglichen anderweitigen Beförderung.

(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

(4) Die Beweislast dafür, ob und wann der Fluggast über die Annullierung des Fluges unterrichtet wurde, trägt das ausführende Luftfahrtunternehmen.

Kommentierung

Begriff der „Annullierung“

Vorverlegung des Fluges

Wird ein Flug um mehr als eine Stunde vorverlegt, wird also z.B. die Abflugzeit von 15:00 Uhr auf 13:50 Uhr geändert, ist er als „annulliert“ zu betrachten.

"Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass ein Flug als „annulliert“ zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Ebenso:

"Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein Flug als „annulliert“ zu betrachten ist, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn um mehr als eine Stunde vorverlegt."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑263/20

Wird ein Flug um mehr als eine Stunde vorverlegt und gilt damit als annulliert, ist der „neue“, vorverlegte Flug als Alternativflug i.S.d. Art. 8 zu werten.

Verschiebung eines Fluges

Erst ab einer Verschiebung der Flugzeiten um drei Stunden kann der Flug als annulliert gelten, soern der Flug ansonsten unverändert durchgeführt wird, also insbesondere dieselbe Flugstrecke bedient wird und die Flugnummer identisch ist.

"Art. 2 Buchst. l und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein Flug nicht als „annulliert“ im Sinne dieser Bestimmungen angesehen werden kann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen dessen Abflugzeit ohne sonstige Änderung des Fluges um weniger als drei Stunden verschiebt."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑395/20.

Zu beachten ist, dass „verschoben“ nicht gleichbedeutend mit „verspätet“ verstanden werden kann. Sofern sich der Abflug lediglich aus tatsächlichen Gründen verzögert, ohne dass das Luftfahrtunternehmen eine neue Abflugzeit festsetzt, bleibt der Flug auch bei einer Verzögerung von drei Stunden oder mehr verspätet i.S.d. Art. 6 und gilt nicht als annulliert.

Landung auf entferntem Ausweichflughafen

Endet der Flug auf einem anderen als dem in der Buchung vorgesehenen Flughafen, gilt er grundsätzlich als annulliert. Anders verhält es sich wegen Art. 8 Abs. 3 aber, falls der Flughafen denselben Ort, dieselbe Stadt oder Region bedient.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass ein Fluggast einen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung hat, wenn sein Flug umgeleitet wurde und auf einem anderen als dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen landet, der nicht denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient."
EuGH, Beschluss v. 6. Oktober 2021, C‑253/21.

Nichts anderes kann für den Fall gelten, falls der Abflug von einem anderen als dem ursprünglichen Ausgangsflughafen erfolgt. Auch ein solcher Flug wäre annulliert im Sinne dieser Norm.

Landung auf nahegelegenem Ausweichflughafen

Endet der Flug abweichend hingegen auf einem Flughafen, der gem. Art. 8 Abs. 3 denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient wie jener, auf dem die Landung planmäßig hätte erfolgen sollen, liegt ausnahmsweise keine Annullierung vor. Er ist aber nicht rechtlos: Zum einen hat er die Ansprüche aus Art. 8 Abs. 3. Ob er außerdem einen Ausgleichsanspruch hat, hängt davon ab, ob sich dieser aus Verspätungsgesichtspunkten ergibt. Vgl. insoweit die Kommentierung zu Art. 6.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass ein Fluggast keinen Ausgleichsanspruch wegen Annullierung hat, wenn sein Flug umgeleitet wurde und er auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient. Der Fluggast eines zu einem Ausweichflughafen, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie der in der ursprünglichen Buchung vorgesehene Zielflughafen bedient, umgeleiteten Fluges hat jedoch grundsätzlich einen Ausgleichsanspruch nach dieser Verordnung, wenn er sein Endziel mindestens drei Stunden nach der vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit erreicht."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Für den Fluggast bedeutet dies, dass er erst ab eineinem Zeitverlust von drei Stunden – und nicht bereits ab zwei Stunden – an seinem Endziel eine Ausgleichszahlung erwarten darf. Auch hängt sein Ausgleichsanspruch nicht davon ab, ob seine Ersatzbeförderung ans Endziel gem. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b unter vergleichbaren Reisebedigungen (insbesondere auf dem Luftwege) erfolgt. In der Regel wird die Beförderung zum gebuchten Zielflughafen per Bus oder Taxi erfolgen.

Ermittlung d. Zeitverlusts bei Ausweichen auf nahen Flughafen

Die Ermittlung des Zeitverlusts, den ein Fluggast dadurch erleidet, dass er statt auf dem planmäßigen auf einem Flughafen landet, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, erfolgt, indem auf jenen Zeitpunkt abgestellt wird, an dem der Fluggast tatsächlich entweder jenen Flughafen erreicht, an dem seine Beförderung planmäßig enden sollte, oder einen sonstigen nahe gelegenen, den er mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbart hat.

"Die Art. 5 und 7 sowie Art. 8 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass für die Ermittlung des Ausmaßes der Ankunftsverspätung, die ein Fluggast erleidet, dessen Flug umgeleitet wurde und der auf einem Flughafen gelandet ist, der zwar nicht dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen entspricht, aber denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region bedient, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, an dem der Fluggast – nach Beendigung seiner Anschlussbeförderung – an dem in der ursprünglichen Buchung vorgesehenen Zielflughafen bzw. gegebenenfalls einem sonstigen nahe gelegenen, mit dem ausführenden Luftfahrtunternehmen vereinbarten Zielort tatsächlich ankommt."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Abs. 1 Buchst. c

Ausgleichsanspruch unmittelbar aus Verordnung

Der Anspruch auf die Ausgleichszahlung ergibt sich nicht aus dem Luftbeförderungsvertrag oder sogar aus der schuldhaften Nichterfüllung eines solchen Vertrags, sondern unmittelbar aus der Verordnung.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 sowie Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91
sind dahin auszulegen, dass

sich im Fall der Annullierung eines Flugs der Anspruch der Fluggäste gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen auf die in diesen Bestimmungen vorgesehene Ausgleichsleistung und die entsprechende Verpflichtung des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu deren Zahlung unmittelbar aus dieser Verordnung ergeben."

EuGH, Urteil v. 29. Februar 2024, C-11/23

Abs. 1 Buchst. c Ziff. i

Keine analoge Anwendung auf Nichtbeförderungen.

Zweiwöchige Ausschlussfrist gilt nicht für den Fall der vorweggenommenen Nichtbeförderung. Siehe Kommentierung zu Art. 4 Abs. 3.

Abs. 3

Außergewöhnliche Umstände

Gewerkschaftlich organisierter Streik des eigenen Personals

Streiken Mitarbeiter des ausführenden Luftfahrtunternehmens als Folge eines regulären gewerkschaftlichen Aufrufs, begründet dies keinen außergewöhnlichen Umstand.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass durch den Streikaufruf einer Gewerkschaft von Beschäftigten eines ausführenden Luftfahrtunternehmens eingeleitete Streikmaßnahmen, bei denen die Anforderungen des nationalen Rechts – insbesondere die darin für die Vorankündigung vorgesehene Frist – beachtet werden, mit denen die Forderungen der Beschäftigten dieses Unternehmens durchgesetzt werden sollen und denen sich eine oder mehrere der für die Durchführung eines Fluges erforderlichen Beschäftigtengruppen anschließen, nicht unter den Begriff „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne dieser Vorschrift fallen."
EuGH, Urteil v. 23. März 2021, C-28/20

Bestätigt:

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass infolge des Streikaufrufs einer Gewerkschaft von Flugbegleitern und Piloten eines ausführenden Luftfahrtunternehmens eingeleitete Streikmaßnahmen zur Durchsetzung der Forderungen dieser Arbeitnehmer nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fallen; ob Verhandlungen mit Arbeitnehmervertretern vorausgegangen sind, ist insoweit unerheblich."
EuGH, Beschluss v. 10. Januar 2022, C‑287/20
sOLIDARITÄTSSTREIK DES EIGENEN pERSONALS LÄNGER ALS ERFORDERLICH

Gewerkschaftlich organisierter Streik des eigenen Personal begründet auch dann keine außergewöhnlichen Umstände , wenn er lediglich aus Solidarität und zur Untestützung eines Streiks gegen die Mutttergesellschaft geführt wird. Das gilt selbst dann, wenn er die gewerkschaftlich angekündigte Dauer des Streiks überschreitet und mit der Muttergesellschaft bereits eine Einigung erzielt wurde.

"Art. 5 Abs. 1 Art. 3 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein Streik zur Durchsetzung der Ansprüche der Arbeitnehmer auf Vergütung und/oder Sozialleistungen, der auf Antrag einer Gewerkschaft der Belegschaft eines ausführenden Luftfahrtunternehmens in Solidarität mit dem Streik gegen die Muttergesellschaft, deren Tochtergesellschaft dieses Luftfahrtunternehmen ist, von einer für die Durchführung eines Fluges notwendigen Personalkategorie durchgeführt wird und der über den ursprünglich von der Gewerkschaft, die zum Streik aufgerufen hat, angekündigten Zeitraum hinaus andauert, obwohl inzwischen eine Einigung mit der Muttergesellschaft erzielt wurde, nicht unter den Begriff „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne dieser Bestimmung fällt."
EuGH, Urteil v. 6. Oktober 2021, C-613/20

Der Gerichtshof betont, dass eine mögliche Rechtswidrigkeit des Streiks keine Auswirkungen auf die Frage haben kann, ob er einen außergewöhnlichen Umstand darstellt. Denn die Rechtmäßigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen werde in jedem Mitgliedsstaat anders bewertet; EuGH, Urteil v. 6. Oktober 2021, C-613/20, Rn. 33. Der EuGH verweist im Übrigen auf die gernelle Abgrenzung, wonach ein ein Streik lediglich dann außergewöhnliche Umstände begründe, wenn er von außen auf das ausführende Luftfahrtunternehmen einwirkt, wie das beispielsweise bei einer Arbeitsaussetzung von Fluglotsen der Fall ist.

Kollision mit anderer Maschine am Boden

Stößt eine andere Maschine am Boden mit dem Fluggerät zusammen, das für die Durchführung eines Fluges vorgesehen ist, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor, sofern erstens die Kollision durch die Bewegung ausschließlich der anderen Maschine verursacht wurde und zweitens diese Maschine für eine andere Fluggesellschaft im Einsatz ist.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass eine Kollision zwischen dem Höhenruder eines Flugzeugs in Parkposition und dem Winglet eines Flugzeugs einer anderen Fluggesellschaft, die durch die Bewegung des zweiten Flugzeugs verursacht wurde, unter den Begriff der „außergewöhnlichen Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt."
EuGH, Beschluss v. 14. Januar 2021, C-264/20
Ausfall der Treibstoffversorgung des Flughafens

Kann das für den Flug eingeplante Flugzeug wegen eines allgemeinen Ausfalls der Treibstoffversorgung auf dem Flughafen nicht betankt werden und obliegt die Verantwortung für die Treibstoffversorgung diesem Flughafen, liegt ein außergewöhnlicher Umstand vor.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass ein allgemeiner Ausfall der Treibstoffversorgung als „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden kann, wenn der Ausgangsflughafen der betroffenen Flüge oder des betroffenen Flugzeugs für die Verwaltung des Treibstoffsystems der Flugzeuge verantwortlich ist."
EuGH, Urteil v. 7. Juli 2022, C‑308/21
Geplatzter Reifen nach Vollbremsung wegen Vogelschlags

Platzen Reifen als Folge einer Vollbremsung nach der Kollision mit einem Vogel, ist dies als außergewöhnlicher Umstand einzustufen. Unerheblich ist, ob der Vogelschlag selbst einen Schaden am Fluggerät verursacht hat und der Startabbruch im Nachhinein tatsächlich erforderlich war. Der EuGH betont, dass das Ziel der Verordnung, eine hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, nicht dazu führen dürfe, dass der Pünktlichkeit des Fluges ein höhrerer Stellenwert eingeräumt wird als die Sicherheit.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

der wegen eines Vogelschlags erfolgte Abbruch des Startvorgangs eines Flugzeugs durch eine Vollbremsung, durch die die Reifen des Flugzeugs beschädigt werden, unter den Begriff „außergewöhnlicher Umstand“ im Sinne dieser Vorschrift fällt."

EuGH, Beschluss v. 3. Oktober 2022, C‑302/22
Krankheit oder tod eines unverzichtbaren Besatzungsmitglieds

Fällt ein unverzichtbares Besatzungsmitglied (z.B. Pilot) kurzfristig und unerwartet wegen Krankheit oder sogar Tod aus, stellt dies keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Denn ein solches Ereignis stellt seiner Natur oder Ursache nach ein Vorkommnis dar, das Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betreffenden Luftfahrtunternehmens ist.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

die unerwartete Abwesenheit eines für die Durchführung eines Fluges unverzichtbaren Besatzungsmitglieds aufgrund von Krankheit oder Tod, die kurz vor dem planmäßigen Abflug eintritt, nicht unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Vorschrift fällt."

EuGH, Urteil v. 11. Mai 2023, C‑156/22 bis C‑158/22
Verstreckter Konstruktionsfehler

Ein versteckter Konstruktionsfehler erfüllt den Tatbestand des außergewöhnlichen Umstands, da das Luftfahrtunternehmen über keine Kontrollmittel verfügt, um diesen Fehler zu beheben. Das gilt auch dann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen vor dem Zeitpunkt der Annullierung über das Vorliegen eines solchen Fehler informiert worden ist.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

die Entdeckung eines versteckten Konstruktionsfehlers am Triebwerk eines Flugzeugs, mit dem ein Flug durchgeführt werden soll, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, selbst wenn das Luftfahrtunternehmen vom Hersteller des Triebwerks mehrere Monate vor dem betreffenden Flug über das Vorliegen eines derartigen Fehlers informiert wurde."

EuGH, Urteil v. 13. Juni 2025, C‑411/23

Entsprechend verhält es sich bei einem neu in Betrieb genommen Flugzeugtyp , wenn der Hersteller dieses Flugzeugs nach der Annullierung anerkennt, dass diese Störung durch einen versteckten Konstruktionsfehler verursacht wurde, der sämtliche Flugzeuge dieses Typs betraf und die Flugsicherheit beeinträchtigte. Denn auch in diesem Fall ist der technische Defekt – etwa durch besonders gründliche Wartung – für das Luftfahrtunternehmen nicht zu vermeiden.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

das Auftreten einer unerwarteten und neuartigen technischen Störung, die ein neues, vor Kurzem in Betrieb genommenes Flugzeugmodell betrifft und das Luftfahrtunternehmen zur Annullierung eines Fluges veranlasst, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne dieser Bestimmung fällt, wenn der Hersteller dieses Flugzeugs nach der Annullierung anerkennt, dass diese Störung durch einen versteckten Konstruktionsfehler verursacht wurde, der sämtliche Flugzeuge dieses Typs betraf und die Flugsicherheit beeinträchtigte."
Personalmangel bei Flughafenbetreiber

Verzögert sich die Abfertigung des Fluges wegen Personalmangels des Flughafenbetreibers – z.B. bei der Gepäckverladung -, kann dies einen außergewöhnlichen Umstand darstellen. Nämlich dann, das Vorkommnis nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des Luftfahrtunternehmens und auch nicht von ihm zu beherrschen ist. Dies zu beurteilen, ist Sache des nationalen Gerichs.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

es sich bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber um einen „außergewöhnlichen Umstand“ im Sinne dieser Vorschrift handeln kann."

EuGH, Urteil v. 16. Mai 2024, C‑405/23
Vorangegangener Flug derselben Maschine

Außergewöhnliche Umstände können sich auf Folgeflüge desselben Fluggeräts im Rahmen der geplanten Rotation dieser Maschine erstrecken. Voraussetzung dafür ist, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem außergewöhnlichen Umstand auf einem früheren und dem Zeitverlust des Fluggastes an seinem Endziel als Folge einer Verspätung oder Annullierung auf einem späteren Flug einer im Voraus geplanten Rotation der Maschine besteht.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass sich ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, um sich von seiner Pflicht zu befreien, Fluggästen bei erheblich verspäteter Ankunft ihres Fluges Ausgleichszahlungen zu leisten, auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen kann, der nicht den verspäteten Flug, sondern einen vorangegangenen Flug betroffen hat, den es selbst mit demselben Flugzeug im Rahmen von dessen Vorvorvorrotation durchgeführt hat, sofern ein unmittelbarer ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten dieses Umstands und der erheblich verspäteten Ankunft des späteren Fluges besteht, was das vorlegende Gericht insbesondere unter Berücksichtigung des Betriebsmodus des betreffenden Flugzeugs durch das betreffende ausführende Luftfahrtunternehmen zu beurteilen hat."
EuGH, Urteil v. 22. April 2021, C-826/19

Zumutbare Maßnahmen

Um sich auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen zu können, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen außerdem nachweisen, alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen zu haben.

Angebot frühestmöglicher Ersatzbeförderung ans Endziel

Zu den Maßnahmen, die das ausführende Luftfahrtunternehmen ergreifen muss, um sich auf außergewöhnliche Umstände berufen zu können, gehört, betroffenen Passagieren gem. Art. 8 Abs. 1 Buchst. b die frühestmögliche Ersatzbeförderung an sein Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen anzubieten. Dies schließt Flüge mit zusätzlichem, abweichendem oder weniger Umstieg ebenso ein wie solche anderer, auch konzernfremder Luftfahrtunternehmen. Dies gilt, sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht nachweist, dass ein solches Angebot im dem Augenblick unzumutbar gewesen wäre.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass die von einem Luftfahrtunternehmen im Fall der Annullierung des ursprünglich geplanten Fluges aufgrund außergewöhnlicher Umstände durchgeführte anderweitige Beförderung eines Fluggasts mit einem Flug, mit dem der Fluggast sein Endziel am Tag nach dem ursprünglich geplanten Ankunftstag erreicht, eine „zumutbare Maßnahme“ darstellt, die dieses Unternehmen von seiner in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehenen Ausgleichspflicht befreit, es sei denn, es bestand eine andere Möglichkeit einer anderweitigen direkten oder indirekten Beförderung mit einem von ihm selbst oder einem anderen Luftfahrtunternehmen durchgeführten Flug, der mit weniger Verspätung als der nächste Flug des betreffenden Luftfahrtunternehmens ankam, außer dieses weist nach, dass die Durchführung einer solchen anderweitigen Beförderung für es angesichts der Kapazitäten seines Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt ein nicht tragbares Opfer dargestellt hätte, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat."
EuGH, Beschluss v. 14. Januar 2021, C-264/20

Ausnahme: Im Falle des Art. 8 Abs. 3, daher in dem Fall, dass der Flug zwar nicht am planmäßigen, aber an einem Flughafen endet, der denselben Ort, dieselbe Stadt oder dieselbe Region wie dieser, führt ein Verstoß des ausfertigen Luftfahrtunternehmens gegen seine Pflicht zur Anschlussbeförderung nicht automatisch zur Ausgleichspflicht; vgl. die Kommentierung zu Art. 8 Abs. 3.

Vorhalten von Reserveflugzeugen

Eine Flotte von Reserveflugzeugen vorzuhalten, kann erforderlich sein, damit das ausführende Luftfahrtunternehmen für sich in Anspruch nehmen darf, alle zumutbaren Maßnehmen ergriffen zu haben, um den Eintritt und die Folgen eines „außergewöhnlichen Umstands“ zu vermeiden. Ob ein solches Erfordernis besteht, ist Frage des Einzelfalls und vom nationalen Gericht zu entscheiden. Dabei kann es eine Rolle spielen, ob das Luftfahrtunternehmen mit dem Ausfall einer seiner Maschinen rechnen musste, weil es z.B. vorher über das Vorliegend eines versteckten Konstruktionsfehlers informiert worden war. Maßstab ist die technische, wirtschaftliche und personelle Tragbarkeit für das Unternehmen.

"Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen „aller zumutbaren Maßnahmen“, die es zu ergreifen hat, um den Eintritt und die Folgen eines „außergewöhnlichen Umstands“ im Sinne dieser Bestimmung, wie etwa die Entdeckung eines versteckten Konstruktionsfehlers des Triebwerks eines seiner Flugzeuge, zu vermeiden, eine vorbeugende Maßnahme ergreifen kann, die darin besteht, eine Flotte von Ersatzflugzeugen in Reserve zu halten, vorausgesetzt, dass diese Maßnahme angesichts der Kapazitäten des Unternehmens zum maßgeblichen Zeitpunkt technisch und wirtschaftlich durchführbar ist."

EuGH, Urteil v. 13. Juni 2025, C‑411/23
Personalmangel bei Flughafenbetreiber

Stellt der Mangel des Flughafenbetreibers an Personal einen außergwöhnlichen Umstand dar, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen nachweisen, dass es nicht in der Lage war, diesen Mangel auszugleichen, etwa durch Inanspruchnahme eines anderen Dienstleisters. Das gilt insbesondere für den Fall, dass dem Luftfahrtunernehmen der Personalmangel des Flughafenbetreibers vorher bereits bekannt war.

"Das Luftfahrtunternehmen, dessen Flug aufgrund eines solchen außergewöhnlichen Umstands eine große Verspätung hatte, muss jedoch zur Befreiung von seiner Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste gemäß Art. 7 der Verordnung nachweisen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären und dass es gegen dessen Folgen die der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hat."
EuGH, Urteil v. 13. Juni 2025, C‑411/23

Abs. 4

Mitteilung der Annullierung an den Reisevermittler/-veranstalter

Entscheidend für die Ermittlung des Zeitpunkts der Unterrichtung des Fluggastes über die Annullierung seines Fluges ist, wann ihn die Mitteilung erreicht. Nicht ausreichend ist, dass lediglich das Reisebüro bzw. der Reiseveranstalter vom Luftfahrtunternehmen über die Streichung des Fluges in Kenntnis gesetzt wird. Das gilt auch dann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen gar nicht über die Kontaktdaten des Fluggastes verfügt, bzw. es nicht weiß, dass die hinterlegten Kontaktdaten dem Vermittler bzw. Reiseveranstalter gehören. Wird lediglich der Reisevermittler/-veranstalter (rechtzeitig) über die Annullierung informiert, weil dieser die Information nicht oder nur verspätet an den Fluggast weiterreicht, kann sich das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht gem. Abs. 1 Buchst. c darauf berufen, ihn rechtzeitig informiert zu haben. Er muss, sofern er sich nicht gem. Abs. 3 auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen darf, die Ausgleichszahlung leisten.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

sind dahin auszulegen, dass

das ausführende Luftfahrtunternehmen verpflichtet ist, die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Ausgleichszahlungen im Fall einer Flugannullierung, über die der Fluggast nicht mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit unterrichtet worden ist, zu leisten, wenn das Luftfahrtunternehmen die Information rechtzeitig an die einzige ihm bei der Buchung mitgeteilte E‑Mail‑Adresse gesandt hat, ohne indes zu wissen, dass über diese Adresse nur der Reisevermittler, über den die Buchung vorgenommen worden war, und nicht unmittelbar der Fluggast erreicht werden konnte, und der Reisevermittler die Information dem Fluggast nicht rechtzeitig übermittelt hat."

EuGH, Beschluss v. 27. September 2022, C‑307/21

Allerdings weist der Gerichtshof darauf hin, dass für den Fall angenommen werden kann, dass der Fluggast sehr wohl rechtzeitig über die Annullierung informiert sein kann, falls er „den Vermittler ausdrücklich ermächtigt [hat], die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen, und diese Ermächtigung dem Luftfahrtunternehmen bekannt ist“; EuGH, Beschluss v. 27. September 2022, C‑307/21, Rn. 27.

Entsprechend:

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass davon auszugehen ist, dass ein Fluggast, der über einen Vermittler einen Flug gebucht hat, nicht über die Annullierung dieses Fluges unterrichtet wurde, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen die Verständigung von der Annullierung dem Vermittler, über den der Vertrag über die Beförderung im Luftverkehr mit dem Fluggast geschlossen wurde, mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit übermittelt hat, der Vermittler den Fluggast aber nicht innerhalb der in der genannten Bestimmung vorgesehenen Frist über die Annullierung unterrichtet hat und der Fluggast den Vermittler nicht ausdrücklich ermächtigt hat, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑263/20

Nationalen Recht zur Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2000/31

Sofern nationales Recht zur Umsetzung von Art. 11 der Richtlinie 2000/31 vorsieht, dass eine Zugangsvermutung für rechtlich erhebliche elektronische Dokumente besteht, was Buchungsänderungen seitens des Luftfahrtunternehmen einschließen kann, ändert dies nichts daran, dass sich die Rechtzeitigkeit der Unterrichtung des Fluggastes über die Annullierung seines Fluges, ausschließlich nach dieser Verordnung bestimmt. Sieht nationales Recht vor, dass ein Dokument als zugegangen gilt, sobald es über die entsprechende elektronische Plattform abrufbar ist, gilt der Fluggast nicht bereits deshalb als unterrichtet, weil er die Möglichkeit gehabt hätte, das Dokument rechtzeitig abzurufen.

"Die Einhaltung der Verpflichtung, den Fluggast rechtzeitig über die Annullierung seines Fluges zu unterrichten, ist ausschließlich anhand von Art. 5 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 261/2004 in Verbindung mit deren Art. 5 Abs. 4 zu beurteilen."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑263/20

Anders, so der EuGH, könne es sich darstellen, sofern der Fluggast den Vermittler seines Fluges ausdrücklich ermächtigt hat, die vom ausführenden Luftfahrtunternehmen übermittelten Informationen entgegenzunehmen, und diese Ermächtigung dem Luftfahrtunternehmen bekannt ist; EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑263/20, Rn. 44.

Art. 4 – Nichtbeförderung

Gesetzestext

(1) Ist für ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nach vernünftigem Ermessen absehbar, dass Fluggästen die Beförderung zu verweigern ist, so versucht es zunächst, Fluggäste gegen eine entsprechende Gegenleistung unter Bedingungen, die zwischen dem betreffenden Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen zu vereinbaren sind, zum freiwilligen Verzicht auf ihre Buchungen zu bewegen. Die Freiwilligen sind gemäß Artikel 8 zu unterstützen, wobei die Unterstützungsleistungen zusätzlich zu dem in diesem Absatz genannten Ausgleich zu gewähren sind.

(2) Finden sich nicht genügend Freiwillige, um die Beförderung der verbleibenden Fluggäste mit Buchungen mit dem betreffenden Flug zu ermöglichen, so kann das ausführende Luftfahrtunternehmen Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigern.

(3) Wird Fluggästen gegen ihren Willen die Beförderung verweigert, so erbringt das ausführende Luftfahrtunternehmen diesen unverzüglich die Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 und die Unterstützungsleistungen gemäß den Artikeln 8 und 9.

Kommentierung

Abs. 3

Vorweggenommene Beförderungsverweigerung

Wird dem Fluggast die Beförderung bereits im Vorfeld verweigert, braucht er sich entgegen des Wortlauts von Art. 2 Buchst. j nicht am Flugstein einzufinden. Dies folgt aus der systematischen und teleologischen Auslegung der Norm. Er wird hierzu regelmäßig auch gar nicht in der Lage sein, da der Fluggast eine Bordkarte benötigt, um zum Abfluggate zu gelangen, die er aber nicht erhält, wenn er von der Passagierliste gestrichen wurde.

"Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004
ist dahin auszulegen, dass

ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das einen Fluggast im Voraus darüber unterrichtet hat, dass es ihm gegen seinen Willen die Beförderung auf einem Flug verweigern werde, für den er über eine bestätigte Buchung verfügt, dem Fluggast eine Ausgleichszahlung leisten muss, selbst wenn er sich nicht unter den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat."

EuGH, Urteil v. 26. Oktober 2023, C‑238/22

Unzutreffende Unterrichtung des Reiseveranstalters über Annullierung

Wird Fluggast vom Veranstalter einer Pauschalreise darüber unterrichtet, dass sein Flug vom Luftfahrtunternehmen annulliert wurde, während er in Wahrheit durchgeführt wird, und erscheint er deswegen nicht zur Abfertigung, liegt eine Nichtbeförderung vor. Das gilt auch dann, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht dazu beigetragen hat, dass der Fluggast falsch informiert wurde.

"Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 in Verbindung mit Art. 2 Buchst. j der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

ein Fluggast, der im Rahmen einer Pauschalreise eine bestätigte Buchung für einen Flug hatte, vom ausführenden Luftfahrtunternehmen die Ausgleichsleistung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Verordnung verlangen kann, wenn der Reiseveranstalter dem Fluggast – ohne zuvor das Luftfahrtunternehmen hierüber zu informieren – mitgeteilt hat, dass der ursprünglich vorgesehene Flug nicht durchgeführt werde, obwohl dieser wie vorgesehen stattfand."

EuGH, Urteil v. 17. Oktober 2024, C‑650/23 und C‑705/23

Ausgleichsanspruch auch bei frühzeitiger Beförderungsverweigerung

Erfolgt die Weigerung, den Fluggast zu befördern, zwei Wochen oder mehr vor der geplanten Durchführung des Fluges, entbindet dies das ausführende Luftfahrtunternehmen nicht von seiner Pflicht zur Ausgleichszahlung. Die Regelung des Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i, die eine Ausnahme von der Ausgleichspflicht bei Annullierungen vorsieht, ist nicht analog auf den Tatbestand der Nichtbeförderung anzuwenden. Der Grundsatz der Gleichbehandlung werde, so der EuGH, nicht verletzt, da „die Situationen, die zu Nichtbeförderungen oder zu Flugannullierungen führen, insoweit nicht vergleichbar sind“; EuGH, Urteil v. 26. Oktober 2023, C‑238/22, Rn. 48.

"Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. i der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

diese Bestimmung, die eine Ausnahme vom Ausgleichsanspruch der Fluggäste im Fall der Annullierung eines Fluges vorsieht, nicht den Fall regelt, dass ein Fluggast mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit darüber unterrichtet wurde, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn gegen seinen Willen nicht befördern werde, so dass ihm ein Ausgleichsanspruch wegen Nichtbeförderung im Sinne von Art. 4 der Verordnung zusteht."

EuGH, Urteil v. 26. Oktober 2023, C‑238/22

Art. 3 – Anwendungsbereich

Gesetzestext

(1) Diese Verordnung gilt

a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;

b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.

(2) Absatz 1 gilt unter der Bedingung, dass die Fluggäste

a) über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügen und - außer im Fall einer Annullierung gemäß Artikel 5 - sich

- wie vorgegeben und zu der zuvor schriftlich (einschließlich auf elektronischem Wege) von dem Luftfahrtunternehmen, dem Reiseunternehmen oder einem zugelassenen Reisevermittler angegebenen Zeit zur Abfertigung einfinden

oder, falls keine Zeit angegeben wurde,

- spätestens 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit zur Abfertigung einfinden oder

b) von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen von einem Flug, für den sie eine Buchung besassen, auf einen anderen Flug verlegt wurden, ungeachtet des Grundes hierfür.

(3) Diese Verordnung gilt nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Sie gilt jedoch für Fluggäste mit Flugscheinen, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.

(4) Diese Verordnung gilt nur für Fluggäste, die von Motorluftfahrzeugen mit festen Tragflächen befördert werden.

(5) Diese Verordnung gilt für alle ausführenden Luftfahrtunternehmen, die Beförderungen für Fluggäste im Sinne der Absätze 1 und 2 erbringen. Erfuellt ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das in keiner Vertragsbeziehung mit dem Fluggast steht, Verpflichtungen im Rahmen dieser Verordnung, so wird davon ausgegangen, dass es im Namen der Person handelt, die in einer Vertragsbeziehung mit dem betreffenden Fluggast steht.

(6) Diese Verordnung lässt die aufgrund der Richtlinie 90/314/EWG bestehenden Fluggastrechte unberührt. Diese Verordnung gilt nicht für Fälle, in denen eine Pauschalreise aus anderen Gründen als der Annullierung des Fluges annulliert wird.

Kommentierung

Abs. 1

Lediglich Zwischenlandung innerhalb der Gemeinschaft

Erfolgt bei einem einheitlich gebuchten Flug mit Umsteigen lediglich die Zwischenlandung auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, befinden sich also der erste und der letzte Flughafen jeweils in einem Drittstaat, findet die Verordnung keine Anwendung.

"Art. 3 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass diese Verordnung auf eine einheitlich gebuchte, aus zwei Teilflügen bestehende Flugverbindung mit Anschlussflug, bei der die Teilflüge von einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft durchzuführen sind, nicht anwendbar ist, wenn sich sowohl der Abflughafen des ersten Teilflugs als auch der Ankunftsflughafen des zweiten Teilflugs in einem Drittstaat befinden und nur der Flughafen, auf dem die Zwischenlandung erfolgt, im Gebiet eines Mitgliedstaats liegt."

Die Anwendbarkeit der Verordnung ist in dem Fall auch dann nicht gegeben, wenn eines der ausführenden Luftfahrtunternehmen seinen Sitz innerhalb der Gemeinschaft hat. Beispiel: Bucht der Fluggast einen Flug von einem Flughafen in Japan aus zu einem Flughafen in die USA mit Umstieg auf einem Flughafen in Deutschland, findet die Verordnung selbst dann keine Anwendung, sollte ausführend für beide Teilflüge mit der Deutschen Lufthansa AG ein Luftfahrtunternehmen mit Sitz in der Gemeinschaft sein.

Abs. 1 Buchst. a

Störung auf Teilflug außerhalb der Gemeinschaft

Kommt es bei einem Flug mit Umsteigen, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beginnt und außerhalb der Gemeinschaft endet, zur Störung (Annullierung, Verspätung, Nichtbeförderung etc.) auf einem Teilflug, der außerhalb der Gemeinschaft beginnt und endet, findet die EU-VO auch dann Anwendung, wenn ausführend für diesen Flugabschnitt ein Unternehmen ist, das seinen Sitz in einem Drittstaat hat. Voraussetzung ist, dass sämtliche Flugabschnitte Teil einer einheitlichen Buchung sind; vgl. bei „direkten Anschlussflügen“ Kommentierung zu Art. 2 Buchst. h.

"Art. 3 Abs. 1 Buchst. a in Verbindung mit den Art. 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass einem Fluggast eines Fluges mit Umsteigen – der zwei Teilflüge umfasst und Gegenstand einer einzigen Buchung bei einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft war – von einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats zu einem Flughafen eines Drittstaats mit Zwischenlandung auf einem anderen Flughafen dieses Drittstaats ein Ausgleichsanspruch gegen ein Luftfahrtunternehmen eines Drittstaats, das den gesamten Flug im Namen des Luftfahrtunternehmens der Gemeinschaft handelnd durchgeführt hat, zusteht, wenn dieser Fluggast sein Endziel mit einer Verspätung von mehr als drei Stunden erreicht hat, die ihre Ursache im zweiten Teilflug hat."
EuGH, Urteil v. 7. April 2022, C‑561/20

Bei Flügen aus der Gemeinschaft hinaus, ist der Ort, an dem es zur Störung kommt, für die Frage der Anwendbarkeit der Verordnung ohne Bedeutung; EuGH, Urteil v. 7. April 2022, C‑561/20, Rn. 30.

Abs. 2 Buchst. a

Bestätigte Buchung

Begriff der „bestätigten Buchung“ ist nicht definiert. Wohl aber Begriff der „Buchung“ in Art. 2 Buchst. g als der „Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde“.

Bordkarte

Eine Bordkarte kann einen „anderen Beleg“ darstellen, aus dem hervorgeht, dass Fluggast über eine Buchungsbestätigung verfügt. Das Luftfahrtunternehmen hat aber die Möglichkeit, den Nachweis zu erbringen, dass trotz Vorlage der Bordkarte ausnahmsweise keine Buchungsbestätigung vorliegt.

"Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Art. 2 Buchst. g und Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen sind, dass eine Bordkarte einen „anderen Beleg“ im Sinne der erstgenannten Bestimmung darstellen kann, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde, so dass davon auszugehen ist, dass ein Fluggast, der über eine Bordkarte verfügt, eine „bestätigte Buchung“ im Sinne der letztgenannten Bestimmung für den betreffenden Flug hat, wenn kein besonderer, außergewöhnlicher Umstand nachgewiesen wird."
EuGH, Urteil v. 6. März 2025, C‑20/24, Rn. 33
Beleg des Reiseunternehmens

Beleg eines Reiseunternehmens, das dem Fluggast einen – durch die Flughäfen, die Flugzeiten und Flugnummer – individualisierten Flug verspricht, stellt eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Norm dar. Das gilt selbst dann, wenn das ausführende Luftfahrunternehmen dem Reiseunternehmen die Flugzeiten nicht bestätigt hat.

"Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 ist dahin auszulegen, dass der Fluggast über eine „bestätigte Buchung“ im Sinne dieser Bestimmung verfügt, wenn er von dem Reiseunternehmen, mit dem er in einer Vertragsbeziehung steht, einen „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung erhalten hat, durch den ihm die Beförderung auf einem bestimmten, durch Abflug- und Ankunftsort, Abflug- und Ankunftszeit und Flugnummer individualisierten Flug versprochen wird; dies gilt auch dann, wenn das Reiseunternehmen von dem betreffenden Luftfahrtunternehmen keine Bestätigung in Bezug auf die Abflug- und Ankunftszeit dieses Fluges erhalten hat."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Im vom EuGH zu entscheidenden Fall verfügte der Fluggast über einen Beleg des Reiseunternehmens, in dem Flugzeiten genannt waren, deren Änderung es sich vorbehielt. Später teilte das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Reiseunternehmen veränderte Flugzeiten mit, die es aber nicht an den Fluggast weiterreichte. Dieser verfügte aus Sicht des Gerichtshofs über eine bestätigte Buchung über einen Flug zu den ihm genannten Zeiten.

Einfinden zur Abfertigung

Fluggast muss sich – außer im Falle der Annullierung seines Fluges – zur vorgegebenen Zeit, falls keine Zeit angegeben wurde, 45 Minuten vor der veröffentlichten Abflugzeit, am Flughafen einfinden, „genauer gesagt bei einem Vertreter des ausführenden Luftfahrtunternehmens“; EuGH, Urteil v. 25. Januar 2024, C‑474/22, Rn. 21. Das gilt auch dann, wenn er sich vor seiner Anreise zum Flughafen online registriert hat („Online-Check-in“).

Große Verspätung des Fluges

Auch im Falle einer großen Verspätung, daher bei einem zu erwartenden Zeitverlust des Fluggastes von drei Stunden oder mehr, muss sich der Fluggast rechtzeitig zur abfertigung einfinden, um insbesondere die Ausgleichszahlung zu erhalten.

"Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

ein Fluggast, um die in Art. 5 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung vorgesehene Ausgleichszahlung im Fall einer großen Verspätung eines Fluges, d. h. einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der von dem Luftfahrtunternehmen ursprünglich geplanten Ankunftszeit, zu erhalten, sich rechtzeitig zur Abfertigung eingefunden haben muss oder, wenn er sich bereits online registriert hat, sich rechtzeitig am Flughafen bei einem Vertreter des ausführenden Luftfahrtunternehmens eingefunden haben muss."

EuGH, Urteil v. 25. Januar 2024, C‑474/22
Vorweggenommene Beförderungsverweigerung

Wird dem Fluggast die Beförderung bereits im Vorfeld verweigert – z.B. durch Umbuchung gegen seinen Willen -, braucht er sich über den Wortlaut der Verordnung hinaus nicht zur Abfertigung einfinden. Das ergebe sich laut EuGH aus der teleologischen sowie systematischen Auslegung v. Art. 4 Abs. 3 sowie Art. 3 Abs. 2 Buchst. a; EuGH, Urteil v. 26. Oktober 2023, C‑238/22, Rn. 38. Er braucht also nicht am Flughafen zu erscheinen.

Abs. 3

Verordnung gilt ausnahmsweise nicht für Fluggäste, die kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisen, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist. Ausnahme von der Ausnahme: Kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reisende Passagiere verfügen über Flugscheine, die im Rahmen eines Kundenbindungsprogramms oder anderer Werbeprogramme von einem Luftfahrtunternehmen oder Reiseunternehmen ausgegeben wurden.

Fluggast zahlt lediglich Luftverkehrssteuern & Gebühren

Zahlt Fluggast lediglich Luftverkehrssteuern & Gebühren, reist er nicht „kostenlos“ i.S.d. VO. Entsprechend findet die VO Anwendung. Eine solche Auslegung des nicht definierten Begriffs erfordert Verordnungs-Ziel, ein hohes Schutzniveau sicherzustellen.

"Art. 3 Abs. 3 Satz 1 erste Variante der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

ein Fluggast nicht kostenlos im Sinne dieser Bestimmung reist, wenn er für seine Buchung ausschließlich Luftverkehrsteuern und Gebühren zu entrichten hatte."

EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑516/23

Begrenztes Angebot, das sich an bestimmte Berufsgruppe wendet

Verordnung ist bei einem Angebot, kostenlos oder zu einem ermäßigten Tarif zu reisen, anwendbar, falls die begünstigte Gruppe von Personen unter den Begriff „Öffentlichkeit“ fällt. Dieser umfasst eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten und setzt im Übrigen recht viele Personen voraus. Wesentliches Kriterium ist mit dem EuGH, „ob das Luftfahrtunternehmen eine einzelfallbezogene Zustimmung vor Ausstellung des Beförderungsscheins vorsieht“; EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑516/23, Rn. 35. In dem dort entschiedenen Fall, waren Angehörige der Gesundheitsberufe ohne einzelfallbezogene Zustimmung berechtigt, den vergünstigten Tarif zu nutzen. Entsprechend war der Tarif der Öffentlichkeit zugänglich und die VO anwendbar.

"Art. 3 Abs. 3 Satz 1 zweite Variante der Verordnung Nr. 261/2004

ist dahin auszulegen, dass

ein Fluggast nicht zu einem für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbaren reduzierten Tarif im Sinne dieser Bestimmung reist, wenn er seinen Flugschein im Rahmen einer Werbeaktion gebucht hat, die zeitlich sowie hinsichtlich der Menge der angebotenen Flugscheine begrenzt war und sich an eine bestimmte Berufsgruppe richtete."

EuGH, Urteil v. 16. Januar 2025, C‑516/23

Pauschalreise

Zahlt der Reiseveranstalter dem ausführenden Luftfahrtunternehmen ein marktübliches Entgelt für den Fluggast, reist dieser nicht kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif i.S. der Norm. Er gelangt also in den Anwendungsbereich der VO. An dieser Wertung ändert sich auch dann nichts, wenn den Preis der Pauschalreise nicht der Fluggast selbst, sondern ein Dritter für ihn an den Reiseveranstalter gezahlt hat.

"Nach alledem ist auf die dritte bis fünfte Frage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 der Verordnung Nr. 261/2004 dahin auszulegen ist, dass ein Fluggast nicht als im Sinne dieser Bestimmung kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif, der für die Öffentlichkeit nicht unmittelbar oder mittelbar verfügbar ist, reisend gilt, wenn zum einen das Reiseunternehmen den Flugpreis an das ausführende Luftfahrtunternehmen zu marktüblichen Bedingungen zahlt und zum anderen der Preis für die Pauschalreise nicht vom Fluggast, sondern von einem Dritten an das Reiseunternehmen gezahlt wird."
EuGH, Urteil v. 6. März 2025, C‑20/24

Beweislast

Beweisbelastet dafür, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem reduzierten Tarif reist und entsprechend auch nicht in den Anwendungsbereich der VO gelangt, ist das ausfühende Luftfahrtunternehmen.

"Das Luftfahrtunternehmen muss nach den im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten beweisen, dass der Fluggast kostenlos oder zu einem solchen reduzierten Tarif gereist ist."
EuGH, Urteil v. 6. März 2025, C‑20/24

Art. 2 – Begriffsbestimmungen

Gesetzestext

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) "Luftfahrtunternehmen" ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung;

b) "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;

c) "Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft" ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitgliedstaat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen(5) erteilt wurde;

d) "Reiseunternehmen" einen Veranstalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen(6), mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen;

e) "Pauschalreise" die in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG definierten Leistungen;

f) "Flugschein" ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;

g) "Buchung" den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;

h) "Endziel" den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussfluegen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussfluege bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

i) "Person mit eingeschränkter Mobilität" eine Person, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln aufgrund einer körperlichen Behinderung (sensorischer oder motorischer Art, dauerhaft oder vorübergehend), einer geistigen Beeinträchtigung, ihres Alters oder aufgrund anderer Behinderungen eingeschränkt ist und deren Zustand besondere Unterstützung und eine Anpassung der allen Fluggästen bereitgestellten Dienstleistungen an die Bedürfnisse dieser Person erfordert;

j) "Nichtbeförderung" die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;

k) "Freiwilliger" eine Person, die sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat und dem Aufruf des Luftfahrtunternehmens nachkommt, gegen eine entsprechende Gegenleistung von ihrer Buchung zurückzutreten;

l) "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.

Kommentierung

Buchst. b

Einstufung als ausführendes Luftfahrtunternehmen“ setzt Flugplanung voraus

Voraussetzung dafür, dass ein Luftfahrtunternehmen „ausführend“ i.S.d. Verordnung sein kann, ist, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt einen durch Flugnummer und Datum konkretisierten Flug auf der entsprechenden Strecke geplant hat. Unerhablich ist es, wenn es das Angebot dieses Fluges später geändert hat.

"Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91


ist dahin auszulegen, dass


ein Luftfahrtunternehmen nicht als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag über einen bestimmten, durch Flugnummer und Datum konkretisierten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Unternehmen je einen Flug mit dieser Nummer an diesem Tag geplant hat; es kann aber als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden, wenn es ein – gegebenenfalls später von ihm geändertes – Angebot unterbreitet hat."

EuGH, Beschluss v. 10. März 2023, C‑607/22

Buchung für den Fluggast durch Reiseunternehmen ist keine Voraussetzung

Ein Luftfahrtunternehmen kann auch dann als „ausführend“ eingestuft werden, wenn ein Reiseunternehmen, das in vertraglicher Beziehung zum Fluggast steht, für diesen (noch) keine Buchung bei ihm vorgenommen hat. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass das Luftfahrt- dem Reiseunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat.

"Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Wenn also einem Fluggast vom Reiseunternehmen fehlerhafte Flugzeiten mitgeteilt werden und/oder dieses für ihn beim Luftfahrtunternehmen gar keine Buchung vorgenommen hat, kann es sich nicht mit der Begründung gegen Ansprüche aus dieser Verordnung wehren, es sei nicht „ausführende Luftfahrunternehmen“.

Durchführung lediglich eines Teilflugs

Bei einheitlich gebuchten Flügen, die aus mindestens zwei Teilflügen bestehen, ist jedes Luftfahrtunternehmen, das verpflichtet ist, zumindest einen Teilflug durchzuführen, „ausführend“ und kann mithin auf die Leistungen aus dieser Voerordnung in Anspruch genommen werden. Nicht erforderlich ist, dass der Beförderungsvertrag mit dem in Anspruch genommenen Unternehmen in einer eigenen vertraglichen Beziehung steht.

"Art. 2 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines aus zwei Teilflügen bestehenden einheitlich gebuchten Anschlussflugs ein Fluggast, der am Endziel eine Verspätung von drei Stunden oder mehr hat, die auf die Annullierung des zweiten Teilflugs zurückzuführen ist, der von einem anderen Luftfahrtunternehmen als demjenigen, mit dem dieser Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, hätte durchgeführt werden sollen, seine Schadensersatzklage nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung gegen dieses Luftfahrtunternehmen erheben und von ihm die Leistung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausgleichszahlung verlangen kann, die auf der Grundlage der Gesamtentfernung des Anschlussflugs vom Abflugort des ersten Teilflugs bis zum Ankunftsort des zweiten Teilflugs ermittelt wird."
EuGH, Beschluss v. 22. April 2021, C-592/20

Buchst. h

Direkte Anschlussflüge

Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ setzt nicht voraus, dass die ausführenden Luftfahrtunternehmen, die sich den Beförderungsvorgang, der aus mehreren Teilflügen besteht, teilen, in einer besonderen rechtlichen Beziehung zueinander stehen. Sie brauchen also z.B. nicht demselben Konzern oder der derselben Luftfahrtallianz anzugehören. Ausreichend ist, dass die einzelnen Teilflüge z.B. von einem Reisebüro derart zusammengefasst werden, dass für sie ein einheitlicher Flugschein ausgegeben und hierfür ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird.

"Art. 2 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

der Begriff „direkte Anschlussflüge“ einen Beförderungsvorgang erfasst, der aus mehreren Flügen besteht, die von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, wenn diese Flüge von einem Reisebüro zusammengefasst wurden, das für diesen Vorgang einen Gesamtpreis in Rechnung gestellt und einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat, so dass einem Fluggast, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug angetreten hat und bei der Ankunft am Zielort des letzten Fluges mit großer Verspätung gelandet ist, der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 dieser Verordnung zusteht."

EuGH, Urteil v. 6. Oktober 2022, C‑436/21

Das in Anspruch genommene ausführende Luftfahrtunternehmen hat die Möglichkeit, das ausstellende Reisebüro gem. Art. 13 in Regress zu nehmen.

Planmäßige Ankunftszeit

Die „planmäßige Ankunftszeit“ kann sich für die Frage, ob Ansprüche aus dieser Verordnung gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen hergeleitet werden könnnen, auch aus einem „anderen Beleg“ i.S.v. Buchst. g ergeben, der dem Fluggast von einem Reiseunternehmen ausgestellt wurde.

"Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Ob ein Flug als annulliert oder verspätet betrachtet werden kann, hängt also unter Umständen nicht von der Flugplanung des Luftfahrtunternehmens ab, sondern davon, welche Flugzeiten dem betroffenen Fluggast (vom Reiseunternehmen) mitgeteilt worden sind.