Art. 2 – Begriffsbestimmungen

Gesetzestext

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) "Luftfahrtunternehmen" ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung;

b) "ausführendes Luftfahrtunternehmen" ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen - juristischen oder natürlichen - Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;

c) "Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft" ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitgliedstaat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen(5) erteilt wurde;

d) "Reiseunternehmen" einen Veranstalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen(6), mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen;

e) "Pauschalreise" die in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG definierten Leistungen;

f) "Flugschein" ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elektronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunternehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder genehmigt wurde;

g) "Buchung" den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;

h) "Endziel" den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussfluegen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussfluege bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

i) "Person mit eingeschränkter Mobilität" eine Person, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln aufgrund einer körperlichen Behinderung (sensorischer oder motorischer Art, dauerhaft oder vorübergehend), einer geistigen Beeinträchtigung, ihres Alters oder aufgrund anderer Behinderungen eingeschränkt ist und deren Zustand besondere Unterstützung und eine Anpassung der allen Fluggästen bereitgestellten Dienstleistungen an die Bedürfnisse dieser Person erfordert;

j) "Nichtbeförderung" die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen;

k) "Freiwilliger" eine Person, die sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat und dem Aufruf des Luftfahrtunternehmens nachkommt, gegen eine entsprechende Gegenleistung von ihrer Buchung zurückzutreten;

l) "Annullierung" die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.

Kommentierung

Buchst. b

Einstufung als ausführendes Luftfahrtunternehmen“ setzt Flugplanung voraus

Voraussetzung dafür, dass ein Luftfahrtunternehmen „ausführend“ i.S.d. Verordnung sein kann, ist, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt einen durch Flugnummer und Datum konkretisierten Flug auf der entsprechenden Strecke geplant hat. Unerhablich ist es, wenn es das Angebot dieses Fluges später geändert hat.

"Art. 2 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs‑ und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91


ist dahin auszulegen, dass


ein Luftfahrtunternehmen nicht als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag über einen bestimmten, durch Flugnummer und Datum konkretisierten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Unternehmen je einen Flug mit dieser Nummer an diesem Tag geplant hat; es kann aber als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung angesehen werden, wenn es ein – gegebenenfalls später von ihm geändertes – Angebot unterbreitet hat."

EuGH, Beschluss v. 10. März 2023, C‑607/22

Buchung für den Fluggast durch Reiseunternehmen ist keine Voraussetzung

Ein Luftfahrtunternehmen kann auch dann als „ausführend“ eingestuft werden, wenn ein Reiseunternehmen, das in vertraglicher Beziehung zum Fluggast steht, für diesen (noch) keine Buchung bei ihm vorgenommen hat. Ebenso ist es nicht erforderlich, dass das Luftfahrt- dem Reiseunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat.

"Art. 2 Buchst. b der Verordnung Nr. 261/2004 ist dahin auszulegen, dass ein Luftfahrtunternehmen im Verhältnis zu einem Fluggast als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn der Fluggast mit einem Reiseunternehmen einen Vertrag für einen bestimmten Flug dieses Luftfahrtunternehmens geschlossen hat, ohne dass das Luftfahrtunternehmen die Flugzeiten bestätigt hat und ohne dass das Reiseunternehmen bei dem Luftfahrtunternehmen eine Buchung für den Fluggast vorgenommen hat."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Wenn also einem Fluggast vom Reiseunternehmen fehlerhafte Flugzeiten mitgeteilt werden und/oder dieses für ihn beim Luftfahrtunternehmen gar keine Buchung vorgenommen hat, kann es sich nicht mit der Begründung gegen Ansprüche aus dieser Verordnung wehren, es sei nicht „ausführende Luftfahrunternehmen“.

Durchführung lediglich eines Teilflugs

Bei einheitlich gebuchten Flügen, die aus mindestens zwei Teilflügen bestehen, ist jedes Luftfahrtunternehmen, das verpflichtet ist, zumindest einen Teilflug durchzuführen, „ausführend“ und kann mithin auf die Leistungen aus dieser Voerordnung in Anspruch genommen werden. Nicht erforderlich ist, dass der Beförderungsvertrag mit dem in Anspruch genommenen Unternehmen in einer eigenen vertraglichen Beziehung steht.

"Art. 2 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen eines aus zwei Teilflügen bestehenden einheitlich gebuchten Anschlussflugs ein Fluggast, der am Endziel eine Verspätung von drei Stunden oder mehr hat, die auf die Annullierung des zweiten Teilflugs zurückzuführen ist, der von einem anderen Luftfahrtunternehmen als demjenigen, mit dem dieser Fluggast den Beförderungsvertrag geschlossen hat, hätte durchgeführt werden sollen, seine Schadensersatzklage nach Art. 7 Abs. 1 dieser Verordnung gegen dieses Luftfahrtunternehmen erheben und von ihm die Leistung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausgleichszahlung verlangen kann, die auf der Grundlage der Gesamtentfernung des Anschlussflugs vom Abflugort des ersten Teilflugs bis zum Ankunftsort des zweiten Teilflugs ermittelt wird."
EuGH, Beschluss v. 22. April 2021, C-592/20

Buchst. h

Direkte Anschlussflüge

Der Begriff „direkte Anschlussflüge“ setzt nicht voraus, dass die ausführenden Luftfahrtunternehmen, die sich den Beförderungsvorgang, der aus mehreren Teilflügen besteht, teilen, in einer besonderen rechtlichen Beziehung zueinander stehen. Sie brauchen also z.B. nicht demselben Konzern oder der derselben Luftfahrtallianz anzugehören. Ausreichend ist, dass die einzelnen Teilflüge z.B. von einem Reisebüro derart zusammengefasst werden, dass für sie ein einheitlicher Flugschein ausgegeben und hierfür ein Gesamtpreis in Rechnung gestellt wird.

"Art. 2 Buchst. h der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91

ist dahin auszulegen, dass

der Begriff „direkte Anschlussflüge“ einen Beförderungsvorgang erfasst, der aus mehreren Flügen besteht, die von unterschiedlichen, nicht durch eine besondere rechtliche Beziehung miteinander verbundenen ausführenden Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, wenn diese Flüge von einem Reisebüro zusammengefasst wurden, das für diesen Vorgang einen Gesamtpreis in Rechnung gestellt und einen einheitlichen Flugschein ausgegeben hat, so dass einem Fluggast, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug angetreten hat und bei der Ankunft am Zielort des letzten Fluges mit großer Verspätung gelandet ist, der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 dieser Verordnung zusteht."

EuGH, Urteil v. 6. Oktober 2022, C‑436/21

Das in Anspruch genommene ausführende Luftfahrtunternehmen hat die Möglichkeit, das ausstellende Reisebüro gem. Art. 13 in Regress zu nehmen.

Planmäßige Ankunftszeit

Die „planmäßige Ankunftszeit“ kann sich für die Frage, ob Ansprüche aus dieser Verordnung gegen das ausführende Luftfahrtunternehmen hergeleitet werden könnnen, auch aus einem „anderen Beleg“ i.S.v. Buchst. g ergeben, der dem Fluggast von einem Reiseunternehmen ausgestellt wurde.

"Art. 2 Buchst. h, Art. 5 Abs. 1 Buchst. c sowie Art. 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Verordnung Nr. 261/2004 sind dahin auszulegen, dass sich die planmäßige Ankunftszeit eines Fluges im Sinne dieser Bestimmungen für die Zwecke der Ausgleichszahlung gemäß Art. 7 der Verordnung aus einem „anderen Beleg“ im Sinne von Art. 2 Buchst. g der Verordnung ergeben kann, den ein Reiseunternehmen einem Fluggast ausgestellt hat."
EuGH, Urteil v. 21. Dezember 2021, C‑146/20, C‑188/20, C‑196/20 und C‑270/20

Ob ein Flug als annulliert oder verspätet betrachtet werden kann, hängt also unter Umständen nicht von der Flugplanung des Luftfahrtunternehmens ab, sondern davon, welche Flugzeiten dem betroffenen Fluggast (vom Reiseunternehmen) mitgeteilt worden sind.